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Begegnung am Vormittag

von Robin Längert

Clint Eastwood-Retrospektive #3

Inmitten der Blütezeit der Hippies inszenierte Eastwood das Liebesdrama Begegnung am Vormittag, wofür er erstmals, hinsichtlich des Plots aus logischen Gründen, auf die Position als Hauptdarsteller verzichtete. Ganz und gar unsichtbar ist er jedoch nicht, da er bei genauer Betrachtung einen beinahe übersehbaren Cameo-Auftritt hat. Dass dieser, neben einem wunderbaren Easter Egg, eine besondere Bedeutung für den Inhalt des Filmes hat, beweist die durchdachte Vorgehensweise von Eastwoods dritter Regiearbeit.

Das junge, naive Hippie-Girl Breezy lebt ziel- und heimatlos ihre eigene Version der Freiheit und Unabhängigkeit. Während ihrer Odyssee trifft sie auf den kaltherzigen, alleinlebenden und wohlhabenden Makler Frank, der vom herausragenden Wild Bunch-Darsteller William Holden gespielt wird. Beide Parteien sind mit ihren Lebensweisen durchweg zufrieden, welche sich untereinander von Grund auf unterscheiden. Auf das Gefühl, einen großen Kinofilm zu sehen, wird wiederum verzichtet. Stattdessen reiht sich Eastwood dem Independent-Kino ein und schafft eine bodenständige Inszenierung einer realitätsnahen Liebesgeschichte.

Sein Film soll nicht als totale Fiktion angesehen werden. Durch viele, verschiedene Äußerungen der jungen und alten Generation sammelt Eastwood Mengen an Weltanschauungen, die in ihrer Gesamtheit eine bewertungslose Kollektion bilden. Diesen Drang zum Realitätsbild setzt er schließlich soweit um, dass die zwei Protagonisten seinen im selben Jahr erschienenen Western Ein Fremder ohne Namen im Kino sehen und das filmische Geschehen einen Schritt näher der Realität setzen. In diesem Zuge laufen sie sogar an Clint Eastwood selbst vorbei, der seinem Blick dem Meer zugewandt hat.

Und doch sind dem Liebesdrama Kleinigkeiten anzukreiden. So ist die Inszenierung zwar ein erkennbarer Vorgänger von Eastwoods gegenwärtigem Erzählstil, doch ist die Nüchternheit beinahe zu verteilt über die Spieldauer des Filmes. Übergreifende Emotionen zum Zuschauer sind eher eine Ausnahme, da die spürbare Entfaltung des Liebeselementes noch nicht der herausragenden Kompetenz von der in Die Brücken am Fluss gleicht. Dafür, und das sollte einem bewusst sein, ist Begegnung am Vormittag die nötige Annäherung von ihm an das Liebesgenre, um die hohe Qualität seines Melodrams aus den Neunzigerjahren überhaupt erreichen zu können. Es ist zwar schade, dass gerade ein Film, der von seiner Liebesgeschichte leben sollte, an diesen Punkten etwas zu distanziert ist, doch pointiert Eastwood trotzdem bemerkbare, wenn auch limitierte Höhepunkte, die das Drama sehenswert machen.

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih © Universal Pictures.

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