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Der Nachtmahr

von Sean Theumer

Warnung! Es ist nahezu unmöglich etwas zu “Der Nachtmahr” zu verfassen, ohne dabei auf den Verlauf der Handlung und der Interpretation dieser einzugehen. Einerseits kann es auch sein, dass jeder Leser diesen Film anders wahrnimmt! Dieser Text interpretiert das Gesehene im Verlauf, von daher: Spoilerwarnung für den zweiten Absatz?

Das deutsche Genrekino lebt. Es pulsiert wie ein epileptischer Rave in den schäbigen Clubs der Hauptstadt. Genrekino, dass sich rücksichtslos mit isochronischen Tönen, binauralen Frequenzen in die Psyche hämmert und mit epileptischen Stroboskoplichtgewittern dafür sorgt, dass wir selbst schon Teil eines Delirium werden. Akiz Film ist nicht nur ein audiovisuelles Erlebnis, es fordert uns heraus. Coming of Age Drama? Behutsamer Horror? Familiendrama? Als Tina auf einer Party bewusstseinserweiternde Drogen einnimmt, sieht sie eine ekelhaft deformierte Kreatur im Gebüsch, glaubt jedoch zuerst an einen Irrtum, bis sie beginnt, die Kreatur erneut wahrzunehmen. Akiz benutzt dabei einen inszenatorischen Kniff, in der Darstellung des eigentlichen Antikörpers. Er vermittelt dem Zuschauer nicht nur den Eindruck Teil von Tinas Gedanken zu sein, sondern auch Teil ihrer subjektiven optischen Wahrnehmung. Die Kreatur ist nur so lange bedrohlich, solange Tina sie als Bedrohung wahrnimmt, auch wenn sich nie aufklärt was andere sehen.Wir sind Teil eines Kopfes und doch können wir ihn nicht verstehen. Der Nachtmahr ist ein mutiger, herausfordernder Genrebeitrag geworden, der seinen komplette Sogwirkung durch die szenischen Wechsel zwischen Coming of Age Alltag, Home Invasion Body Horror und bewusstseinserweiternden verzerrten Trip erzielt. Audiovisuelle Perfektion eines psychischen Zerfalls, dass zurecht mit vollem Druck in die Welt posaunt, dass die deutsche Filmlandschaft getrost auf “Honig im Kopf” & Co. scheißen kann. Dann aber auch auf vollster Lautstärke!

!SPOILER! Als Zuschauer muss einem jedoch bewusst werden, dass der Nachtmahr kein leicht konsumierbarer Film ist, bei dem jede mögliche Interpretation richtig sein kann. Der Pfad der stringenten Narration wird direkt zu Beginn verlassen, die Inszenierung verschlüsselt. Auf einem Video bekommt Tina ein Video gezeigt, bei dem sie sieht wie ein Mensch überfahren wird. Danach sieht sie den Nachtmahr und beschließt mit ihren Freundinnen die Party zu verlassen. Im Auto bemerkt sie, dass sie ihre Kette auf der Straße verloren hat und beschließt diese aufzuheben, als sie dabei von einem Auto überrollt wird, in gleicher Einstellung wie im Video das sie gesehen hat. Daraufhin öffnet sich ein Kreis legt einen Zeitsprung von undefinierter Dauer zurück. Der Nachtmahr ist die gestaltgewordene Manifestation einer Drogenabhängigkeit, die vor dem Ableben zusammengefasst wird. Immer wieder werden Bilder eingestreut wie Tina in einer Psychiatrie durch eine Tür soll, die nur so groß ist wie die Kreatur selbst. Als Tina beginnt die Kreatur als Begleiter zu akzeptieren ist das symbolisch nicht nur der Beginn der Abhängigkeit, sondern auch Anfang der sozialen Ausgrenzung. Ihr Umfeld schließt sie aus, sagt sie würde halluzinieren, was in einer Schlüsselsequenz dem Zuschauer klar gemacht wird. Als ihrer Eltern nachgucken, wie es Tina geht, sehen wir den Nachtmahr in Embryonalstellung an Tina gekuschelt und die Eltern beginnen zu schreien und auf die Kreatur einzuschlagen. Dabei bekommt Tina die Schläge allerdings auf den Kopf und sieht wie es in eine Klinik gebracht wird zu laboralen Untersuchungen. Dabei bekommt sie die Nadelstiche der Spritze ebenfalls in den Arm. Ihre Eltern sprechen sie danach nie auf eine Kreatur an., worauf Tina beschließt eines Nachts den Nachtmahr aus der Klinik zu befreien. Sie wird beim Betreten der Klinik vom Personal nicht angesprochen, erst als sie beginnt mit ihm im Arm aus der Klinik zu rennen. Der Kreis schließt sich, alle Erfahrungen werden in einer Timelapse zusammengewürfelt und der Film endet, wie sie mit dem Nachtmahr im Auto auf einer dunklen Straße Richtung Licht fährt.

©Koch Media

Tina ist Opfer einer Sucht geworden, die ausgelöst wurde von den verschiedensten Drogen die sie zusammen mit Freundinnen auf den Partys konsumiert hat, wodurch sie beginnt zu halluzinieren und immer schmerzhafter Versuch ihre Sucht zu stillen (Spritze im Arm). Ihre Eltern wollen sie in eine Klinik stecken, damit sie wieder zu sich selbst kommt. Doch Tina bricht eines Nachts aus, um zusammen wieder mit ihren Freundinnen feiern zu können, bis sie Opfer eines Unfalls wird und ihr Leben ungeordnet vor ihren Augen verläuft. Akiz Film ist ein wirklich vielschichtiger Film, der gewiss nicht jedem gefallen wird, jedoch für lange Diskussionen sorgen wird.

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Alle Bildrechte obligen dem Verleih ©Koch Media

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