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Orphan First Kill

von Sean Theumer

Wie setzt man einen Film fort, der vor bereits 13 Jahren einen kleinen Fankreis entwickelte und mit einem absolut unerwarteten Twist schocken konnte? Oder sollte vielleicht besser fragen: Warum? Die Frage selbst kann nur Paramount beantworten, wohl möglich war es die Hoffnung auf einen weiteren Erfolg im ohnehin schon extrem lukrativen Kinojahr 2022. Dass es nun ausgerechnet ein Prequel gibt, obwohl man den Ausgang und die wahre Offenbarung hinter Esthers Identität kennt, dürfte vielen vor den Kopf stoßen und damit eine eindringliche Spoilerwarnung für Orphan: Das Waisenkind aus dem Jahr 2009!

Esther ist eine Killerin und der gepflegte Genrefreund weiß, dass sie in Wirklichkeit eine erwachsene Frau mit Gendefekt ist. Und jetzt kommt Esther also lange vor den Eltern aus Jaume Collet Serras Erstling wieder in eine Familie, nur Jahre vorher. Man wird bekloppt wenn man da so nachdenkt, aber das ist auch das große Problem an Orphan First Kill. Durch das bekannte Muster ist die erste Hälfte extrem langweilig geraten obwohl der Beginn wirklich enorm stimmig ist. In einer Psychiatrie nebelig umgeben, wird Esther besucht und inmitten der Beklopptenparade wird nochmal aufgezeigt warum sie so unberechenbar ist. Sie büchst aus, sieht die Vermisstenanzeigen eines kleinen Mädchens die leichte Ähnlichkeit mit ihr hat und wird dann prompt an ihre neue Mutti, Julia Stiles, gebracht.

Etwas komisch ist auch, dass Isabelle Fuhrmann, die mittlerweile weit über 20 ist erneut in die Rolle der kleinen Esther schlüpft. Da wird mit Kamerawinkeln und perspektivischer Verkürzung gearbeitet aber gerade das Gesicht lässt Fragen aufkommen, ob ihre neue Familie nicht einfach voll bekloppt ist, dass ihnen nicht auffällt wer da gerade vor ihnen steht. Gerade im Kontext, dass die Geschichte jedoch noch früher spielt, täuscht drüber hinweg und niemand hätte wohl die diabolische Rolle einnehmen können, ohne den vollen Fanhass abzubekommen. Und gerade dann wenn man denkt Orphan First Kill bricht komplett in die Irrelevanz weg und langweilt mit allem bereits zuvor schonmal gesehenen, kommt William Brent Bell mit einem Twist in der Mittel vorbei und stellt den Film komplett auf den Kopf.

Dieser ist genau so unvorhersehbar wie bescheuert und dreht den Film in eine morbide schwarze Horrorkomödie, die wirklich so bescheuert und stilsicher inszeniert ist, dass die letzten 40 Minuten wirklich sensationell sind. Nicht nur weil der Stilbruch funktioniert, sondern die Entwicklung aus dem Film ein weitaus erfrischenderes Erlebnis macht als zuvor angenommen. Um möglichst wenig zu verraten wird dementsprechend auch wenig darauf eingegangen aber eins sollte gewiss sein: Orphan First Kill wird im letzten Akt zu einem Trashfest sondergleichen, das wirklich richtig viel Bock macht.

Das Finale kränkelt dann leider an schlechten Effekten und kann das Tempo und die Blödelei nicht mehr ganz aufrechthalten, aber viel mehr kann man von einem solchen Film doch eigentlich nicht erwarten. Alleine weil er es trotzdem schafft einen Riesenüberraschung zu landen, obwohl das Schicksal und Geheimnis der Protagonistin klar ist und so selbstsicher Over the Top ist, dass das Projekt eigentlich zum scheitern verurteilt ist. Qualitativ bei weitem nicht der beste Film dieses Jahr aber doch die dickste Überraschung jüngerer Zeit. Wer Bock auf ein komplett hanebüchenes Horror-Familendrama-Trashfest hat, dem sei Orphan First Kill ans Herz gelegt. Zumindest ein Mal macht das richtig Lust.

Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©Paramount Pictures

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