Sully

von Robin Längert

Clint Eastwood-Retrospektive #35

Nach einer unglaublichen Durststrecke von zwei Monaten ist der heutige Film unserer Retrospektive, Sully, das bislang letzte Werk von Clint Eastwood. Darin geht es um die wahren Ereignisse rund um die Notlandung auf dem Hudsonriver im Jahre 2009, welche von Kapitän Chesley Sullenberg durchgeführt wurde. Wie auch schon so oft in der Vita des US-Amerikaners wirken hier wieder einige inszenatorische und stilistische Elemente erfrischend neu – die Frage sei nur, in welchem Maße.

Üblicherweise wird auch bei Sully das Geschehen mit großer Wertungsfreiheit wiedergegeben. Diese bekannte Erzählart von Eastwood ist jedoch, anders als sonst, der entscheidende Handlungsträger. Thematisiert wird schließlich die Fähigkeit des höchstobjektiven Einschätzungsvermögens inmitten einer drastischen Ausnahmesituation. Der Protagonist und seine rechtlichen Gegner, als auch der Zuschauer sollen zwischen dem Bilden einer eigenen Meinung und dem Entscheiden von der bestmöglichen Strategie unterscheiden können. Diese zwei elementaren Kontrahenten können jedoch schnell verwechselt werden.

Eastwood erzählt uns nicht mehr als über das Vertrauen in unsere Wahrnehmung. Sully, wieder einmal bemerkenswert von Tom Hanks gespielt, wird innerlich von den Schuldurteilungen der Presse und des Gerichts hartnäckig aufgefressen und findet keinerlei Ruhe. So schnell lässt sich eine anfängliche Selbstsicherheit in Luft auflösen. Doch vorbildhaft wird hier ebenso das Reflektieren gelehrt und der unabänderliche Zustand äußerer Einflüsse. Dafür wird das selbe Ereignis gleich zweimal im Film gezeigt mit minimalen Perspektivwechsel. Der Grund für diese Wechsel sind schließlich die Zusammenhänge und Hintergründe, unter dessen Bedingungen sie der Zuschauer sieht. Erstaunlich ist dabei, dass bei beiden Szenen die Spannung erhalten bleibt.

Trotz des hohen Unterhaltungswertes von Sully ist dem Film doch noch ein erheblicher Kritikpunkt anzukreiden: Nicht nur die Diskussion um Sullys affektives Handeln löst sich in Folge der Einsicht, seitens der Kläger, seiner beachtlichen Professionalität auf – der Film selbst löst sich ebenfalls in jener Bedeutungslosigkeit auf. Soweit sollte das Drama keines Falles gehen. Damit verschwinden unkontrolliert die Grenzen zwischen Inhalt und Form, womit der noch davor offensichtliche Schauwert des Filmes rasant vergessen wird.

ANMERKUNG: Noch ist nichts vorbei! Der morgige Text schließt unsere große Retrospektive mit einem ausführlichen, zusammenfassenden Blick auf die vergangenen zwei Monate ab und präsentiert euch unsere gemeinsame Top 10 der besten Filme von Clint Eastwood. Seid gespannt.

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Warner Bros.

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