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Der falsche Mann

von Robin Längert

Das klassische Gerüst des Film noir umfasst ein düsteres Weltbild, das von einer verschleierten, wendungsreichen Erzählung umworben wird. Üblich sind dafür Kriminalgeschichten, oft aus der Sicht des Detektives, eher seltener aus der Sicht des Täters. In Der falsche Mann von Alfred Hitchcock geht es um keine der beiden Personen – und doch könnte er Teil jener Rubrik sein. Ein kleiner Spezialtext zur Frage, wann ein Film zum Kanon des Film noir gehört.

Der Familienvater Manny Balestrero (Henry Fonda) wird angeklagt, eine Versicherungsgesellschaft zweimal überfallen zu haben. Während es Manny und sein Umfeld bezweifeln, sind sich die Opfer und Angestellten der Gesellschaft ihrer Anschuldigung sicher. Daran scheint nicht nur der Angeklagte zu verzweifeln, sondern viel mehr Mannys Ehefrau Rose (Vera Miles).

Hitchcock entzieht sich großräumigen Stilmitteln und erzählt die wahre Geschichte um Manny Balestrero so nüchtern und dokumentarisch wie möglich. Sein konsequenter Realismus erzielt in der ersten Hälfte die volle Wirkung, während er zum Ende hin deutlich nachlässt. Grund dafür ist der überraschend neue Erzählweg, der in seiner Gesamtheit zu viel Platz im Film einnimmt. Hitchcock ist eben kein Meister der subtilen Narration, doch ein belegbarer Schauspielmentor – denn das Zusammenspiel von Fonda und Miles ist heute noch überragend.

Abseits der bis heute polarisierenden Wirkung von Der falsche Mann stellt sich die Frage, ob der Thriller zum Kanon des Film noir zählt. Dafür sollte erst geklärt werden, was der Film noir eigentlich ist. Schließlich ist er nach wie vor ein überaus dehnbarer Begriff, welcher sich stets einer Definition verweigert (was ironischerweise übereinstimmend mit Noir-Geschichten selbst ist). Den Grundstein bildet im Üblichen ein verwickelter Kriminalfall, bei dessen düsterer Erzählung der Weg zur Lösung mehr Interesse wecken soll als die Lösung selbst. Visuell wird gerne auf mittelmäßge Grautöne verzichtet. Stattdessen sollen starke Lichtkontraste entstehen, die ebenso als Irritierung dienen können.

Hitchocks Thriller besitzt zwar jene Stilistik, doch findet sein Labyrinth-Konstrukt nicht auf narrativer Ebene statt. Wider den Normen, die Sicht des Gesetzes oder des Getzlosen zu übernehmen, erzählt er aus der Sicht des Hilflosen. Dennoch weißt Der falsche Mann eine teilzeitige Orientierungslosigkeit auf, die aber auf psychologischer Ebene stattfindet: Albtraumhaft wird die Identifikation des Zuschauers zum Protagonisten aufgedrängt, der sich lediglich selbstlos in die Entwicklung der Geschichte fallen lassen kann – und das Publikum ist dem Prozess schonungslos ausgesetzt.

Es hängt sicherlich von den individuellen Defintion des Begriffes ab, ob Der falsche Mann letztlich zur schwarzen Serie gehört. Unabhängig davon bleibt über Alfred Hitchcocks Thriller zu sagen, dass er eine intensive Charakterstudie ist, die sich überaus stilsicher aufbaut. Auch das Ende kann den Anspruch seiner dokumentarischen Erzählung halten, doch verliert die Dramaturgie zu sehr an Fahrt, um konsequent zu wirken. Für Fans des Master of Suspense und von Henry Fonda ist er trotz alledem eine klare Empfehlung mit limitierten Highlights.

Black Friday: Jeden Freitag ein klassischer Film noir aus der schwarzen Serie.

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Warner Bros.

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