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The Northman

von Sean Theumer

Robert Eggers kämpfte sich durch die Folklore des altertümlichen Amerikas, setze sich mit der Isolation zweier Seefahrer auseinander und kommt nun mit einem Epos nordischer Mythologie um die Ecke. geschaffen hat er mit seinem beiden vorherigen Filmen nichts geringes als zwei Meisterwerke, was die Erwartung an seinen „The Northman“ wohl oder übel ins astronomische pressen. Allein der Fakt, dass sich Universal Pictures und Focus Features dachten satte 90 Millionen Dollar in den Film eines Regisseurs zu pumpen der alles andere als massentaugliche Produktionen ins Kino bringt ist beachtlich. Aber es bringt auch die Bürde mit seine Independent Strukturen zu verlassen und diesen Prozess zu bestaunen ist in The Northman ein sagenhaftes Scheitern.

Nicht im Sinne, dass The Northman ein schlechter Film geworden ist, ganz im Gegenteil, aber Eggers scheitert an seinen eigenen Ambitionen. Zumal er sagte, dass er keinen Einfluss hatte auf den Final Cut bleibt der Gedanke zurück, was für ein Film denn bei voller kreativer Freiheit seinerseits herausgekommen wäre. Ein noch sperriger Historienfilm mit noch abstrakteren Fantasyschüben? Man weiß es nicht. Fakt ist jedoch, dass die Marketing-Abteilung seine Hausaufgaben gemacht hat und einen Trailer herausgebracht hat der eine immense Wucht ausstrahlt. Genug um die Erwartungen vom Publikum auf Kopf zu drehen, denn wo Robert Eggers draufsteht ist auch Robert Eggers drin. Jeder der einen Actionfilm sucht wird gandenlos enttäuscht sein.

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Ein Indiz dafür hat es im Trailer jedoch schon gegeben. Denn jede Einstellung der wuchtigen Auseinandersetzungen passiert im selben Setting, einem Überfall auf ein Dorf. Der Trailercutter hat sich dort die besten Stücke gemopst und sie als Teil einer großen Schlacht verkauft. Nicht dass es in The Northman keine brachialen Kämpfe geben würde, aber sie nehmen einen so kleinen Bruchteil ein, wobei jener Überfall nach knapp 20 Minuten bereits passiert. Ausufernd in beeindruckenden Tracking Shots entfalten sich die animalischen Kämpfe druckvoll mit einem brachialen Sound-Design bei dem man selbst in den Krieg losziehen will. Es wird blutig gestorben, Gliedmaßen werden abgebissen und Köpfe von Körpern geschlagen.

Gerade als Zeitdokument war man ästhetisch und inszenatorisch selten so nah an der Vikingerzeit dran. Doch leider begeht The Northman den Fehler und nimmt uns nicht mit auf die Reise einer recht generischen Rachgeschichte sondern schwängert seine Inszenierung mit übernatürlicher Symbolik und Abstraktionen, wodurch sich das Tempo zwischendurch so abrupt verschleppt. 137 Minuten sind dabei bei weitem zu viel und zeitgleich doch zu wenig. Recht zwiegespalten werden so manche simplen Dinge viel zu ausführlich erzählt und am ende dann doch viel zu lieblos abgehandelt. Noch dazu ist die Epik hier mehr Schein als sein, da mit Beginn des Abspanns doch recht wenig Nachhall im Kopf bleibt. All der Hass der sich angestaut hat, all die toxischen maskulinen Bräuche und Traditionen die hier dann doch auf Kopf gestellt werden entladen sich nicht in einem dynamischen Finale, sondern eher in einem ansehnlichen Einmaleins des klassischen Showdowns.

Interessant wird es immer dann wenn Eggers seine Horrorwurzeln mit in das Geschehen einfließen lässt und beunruhigende Schattenmontagen mit Bildern von Hexen einstreut oder die Unterwanderung Amleths in Fjölnirs Dorf wie ein Terrorszenario anmuten lässt. Leider eskaliert das Ganze nicht so furios, was wohlmöglich an den Studiointerferenzen liegen könnte. Komplett sperrig wird der Film dann nämlich auch nicht, wohlmöglich um eine größere Zielgruppe bedienen zu können. Schade ist es auch, dass die Darsteller hier so verheizt werden, denn die monströse Präsenz von Alexander Skarsgård stellt alles in den Schatten. Die sonst so fabelhafte Anya Taylor-Joy darf zwischendrin von links nach rechts laufen, gelegentlich ein paar Zaubersprüche aufsagen und wird Opfer einer generischen Liebesgeschichte, Willem Dafoe und Björk sieht man nur minimal in Nebenrollen und Claes Bang bleibt als vermeintlicher Antagonist leider im Schatten.

Und nun das große Aber: The Northman muss auf der großen Leinwand gesehen werden. Bestmöglich im Kino mit der größten Leinwand und dem lautesteten Sound der ganzen Stadt. Denn er entwickelt trotz der offensichtlichen Schwächen einen Sog und zieht euch in eine andere Zeit. Mit gnadenloser Gewalt, Gore, Schmutz und einem guten Spritzer Fantasy bleibt ein enormes Erlebnis zurück, das selbstverständlicher besser und sperriger hätte ausfallen dürfen aber in einer Kinolandschaft von Franchises und kalkulierten Studioproduktionen eine absolute Wohltat ist. Ein dreckiger Bastard von einem Film. Die Hoffnung auf einen Directors Cut wurde von Eggers in einem Interview erloschen, deshalb müssen wir mit dem leben was wir haben. The Northman ist Robert Eggers schwächster Film bisher, aber dennoch ein sehenswertes Epos.

The Northman Poster

Regie: Robert Eggers
Drehbuch: Sjon, Robert Eggers
Darsteller: Alexander Skarsgård, Anya Taylor-Joy, Claes Bang, Nicole Kidman, Ethan Hawke, Björk, Willem Dafoe
Score Composer: Robin Carolan, Sebastian Gainsborough
Cinematographer: Jarin Blaschke
Altersfreigabe: 16
Lauflänge: 137 Minuten
Erscheinungsjahr: 2022
Budget: 90.000.000$
Box-Office: Unbekannt

Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©DCM

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