Dank des internationalen Erfolges von Öffne die Augen ist der spanische Filmemacher Alejandro Amenábar niemand geringerem als Tom Cruise in die Augen gefallen. Cruise plante ein Remake des spanischen Welthits und bot Amenábar im Gegenzug die Finanzierung seines nächsten Filmes an. Bekanntlich erschien im Jahr 2001 das Remake Vanilla Sky und ebenso Amenábars nächster Kinofilm mit blühender künstlerischen Freiheit: The Others, den wir hiermit als vierten Beitrag in unserer Gothic-Woche präsentieren.
Schaurig-verspielte orchestrale Musik ertönt zum kerzenbelichteten Intro, das wegweisend für den fortlaufenden Film sein sollen. Grace, gespielt von Nicole Kidman, passt behutsam auf ihre beiden Kinder inmitten ihres prächtig großen Landhauses auf. Die Kinder sind äußerst lichtsensibel, weshalb sie das Leben ihrer Kinder in abgedunkelten Räumen hält und schützt. Lediglich das Kerzenlicht ist geradezu genügend, weshalb das Geschehen zwischen schimmernden Schatten stattfindet. Während in weiter Ferne der zweite Weltkrieg tobt, bekommen Grace und ihre Kinder Besuch von drei Unbekannten. Diese behaupten die schönsten Jahre ihres Lebens in diesem Haus gearbeitet zu haben, weshalb die ihre Hilfe auf gut Glück den jetzigen Besitzern anbieten wollen. Grace willigt ein. Und zeitgleich berichten die Kinder von einem Jungen namens Victor, der nachts auf den Dunkeln Gängen des Hauses lauert.
Regisseur, Drehbuchautor und Komponist Amedábar hat mit The Others eine Art Liebeserklärung an vermutlich den besten Horrorfilm aller Zeiten verfasst: The Innocents, oder hierzulande Schloss des Schreckens. Das ist eine enorme Messlatte, an die sich der spanische Filmemacher gewagt hat. Doch ist defenitiv zu bestätigen, dass er seiner Vision vollkommen gerecht wurde. Denn er hat eben seine eigene Vision verfolgt, statt einen Abklatsch des Gothic-Klassikers zu erzeugen. Dafür nutzt er das Horrorgenre nur als Stilmittel, um im Kern ein äußerst bewegendes und erschütterndes Drama zu erzählen.
Nicole Kidman gehörte einst zu den besten Schauspielerinnen ihrer Zeit. Das bewies sie aller spätestens mit Eyes Wide Shut und zwei Jahre später wiederholt mit The Others. Diesem beinahe unantastbaren Hauptcharakter gibt sie mit ihrer Perfomance eine solche Klarheit und Tiefe, dass der Mystery-Horror gleichermaßen als Charakterdrama gelten könnte. Als Kontrast entstehen klar definierte Fragezeichen gegenüber ihrem Charakter und den äußerlichen Umständen, die es im Laufe des Filmes zu lösen geht. Dafür nutzt Amenábar unvergessliche Belichtungen und Perspektiven, die den großen Mysterien einem albtraumhaften Schauer geben. Doch diese Bilder wären vielleicht nur halb so eindringlich, wenn dort nicht Amenábars selbstkomponierter Score wäre, der eine unverzichtbare Wirkung auf den gesamten Film hat.
Was Alejandro Amenábar mit The Others geschaffen hat ist ein anspruchsvolles Mystery-Drama mit großartigen minimalistisch Referenzen und einer Atmosphäre, die Gothic-Horror, Melancholie und Psycho-Drama schleiernd verbindet ohne das Gleichgewicht zwischen Form, Inhalt und Wirkung zu verlieren. Unvergesslich ist natürlich der große Twist am Ende, der selbst nach der zehnten Sichtung die Spannung kein bisschen mildert – eine Leistung, die die wenigsten Filme geschaffen.
Empfehlenswert für Halloween, weil der schauderhafte Soundtrack mitsamt den schleichend-bedrohlichen Bildern und Perspektiven eine alles verschlingende Atmosphäre erzeugt, die bei jeder Erinnerung an das Filmerlebnis wiederauferlebt wird. Kaum ein anderer Gruselfilm definiert sich in solch einer Form als ernstzunehmendes Drama, konstruiert einen wahnsinnigen Twist und nutzt sich trotzdem bei keiner weiteren Sichtung ab. Ein echter Genre-Klassiker für die Ewigkeit.
Komponist, Drehbuch & Regie: Alejandro Amenábar
Produktion: Fernando Bovaira, José Luis Cuerda, Tom Cruise, Sunmin Park
Darsteller: Nicole Kidman, Fionnula Flanagan, Christopher Eccleston, Elaine Cassidy, Eric Sykes
Bildgestaltender Kameramann: Javier Aguirresarobe
Altersfreigabe: ab 12
Laufzeit: 104 Minuten
Veröffentlichungsjahr: 2001
Budget: 17 Mio. USD
Box Office: 209,9 Mio. USD
Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Universum Film.