Home Filme Zum Valentinstag: Zyniker und Romantiker der „Before“-Trilogie

Zum Valentinstag: Zyniker und Romantiker der „Before“-Trilogie

von Robin Längert

Es gibt wohlmöglich nur eine Handvoll authentischer Liebesfilme, die keine rosarote oder krampfhaft zerschmetternde Weltsicht haben. Zu jenen Ausnahmen gehört nicht nur ein alleinstehender Film, sondern sogar eine ganze Filmreihe: Die Before-Trilogie von Richard Linklater, hauptbesetzt mit Ethan Hawke als Jesse und Julie Delpy als Celine.

Bewunderer der Europa-Filme von Woody Allen sollten den Altmeister nicht zu hoch für seine kleine, inoffizielle Filmreihe schätzen. Schaut man sich nämlich die Postkartenmotiv-Overtüre von Midnight in Paris oder die Fernweh-bereitende Beziehungskomplexität von Vicky Christina Barcelona an, sind schneller Parallelen zu Before Sunrise und Before Sunset zu finden als vermutet. Inhaltlich passt es zwar sehr zu der Filmografie des New Yorker, der wiederholt zwischen Romantik und Zynismus pendelt, doch fundamentierte Richard Linklater gänzlich andere Inhalte – verträumt und doch schmerzhaft real.

Before Sunrise, aus dem Jahr 1995, lässt die beiden Tagträumer das erste Mal im Zug auf dem Weg nach Wien treffen, wo Jesse die Fanzösin Celine dazu überredet mit ihm die Nacht über in der österreichischen Großstadt die Zeit zu vertreiben, ehe er am nächsten Morgen seinen Flug zurück in die Staaten nimmt. Was nach einer kitschigen Altbackengeschichte klingt, ist zu einem glaubwürdigen und durchweg interessanten Szenario umgesetzt. Dabei ist das herausragendste Glied des Filmes die von dem Schauspiel-Duo umgesetzten Dialoge, die sich in bahnbrechender Authentizität wälzen und teils innerhalb von 10-minütigen One Takes mit Leichtigkeit zurechtkommen. Ihr nächtliches Liebäugeln ist somit kein übliches „Was Frauen schauen“, sondern eine scharfsinnige, kommentarlose Beobachtung, die dank barrokschen Musikuntermalungen Vergänglichkeit zur Wertschätzung und Auskostung des Momentes gegenüberstellt.

Indem nur alle 9 Jahre eine Fortsetzung gedreht wurde (Before Sunset aus 2004 und Before Midnight aus 2013), altern Crew und Cast gemeinsam mit den Charakteren, sowie deren Gesprächsthemen und Betrachtungen. Im ersten Teil waren es noch ungebundene Sehnsüchte und Existenzängste, gepaart mit der getimten Überwindung das auszusprechen, was man mit seinem Gegenüber teilen möchte. Teil 2 thematisiert, wohlgemerkt in nahtloser Echtzeit, die Bewältigung von Fehlern und die Erkenntnis und Wertschätzung von tatsächlichen Wichtigkeiten. Gänzlich anders scheint der bislang letzte Teil zu sein, erstmals mit selbststädigen Score. Dieser zeigt die Konfrontation von repetitiven Handlungen und sich anstauenden Sehnsüchten innerhalb einer Ehe, sowie die allgemeinen Tücken einer langandauernden Beziehung.

I think how you answer that, you know […] It’s a good test. Right? If you’re a romantic or a cynic.

Jeder dieser Filme ist ein greifbarer Bruchteil eines Lebens. Die sich sammelnden Gesprächsthemen scheinen auf die Charaktere zugeschnitten zu sein, und doch teilt man Reaktionen und Gedankengänge mit den Figuren. Besteht also das Bedürfnis einen tatsächlich anspruchsvollen, unverfälschten Liebesfilm zu sehen, gibt es für den heutigen Valentinstag nicht nur eine, sondern gleich drei Möglichkeiten. Funktionieren tut die Before-Trilogie dennoch selbstverständlich an jedem anderen Tag auch – schließlich spielt sie in der ganz hohen Liga wertvoller Filmreihen mit.

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Prokino und ©Warner Bros.

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