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Indiana Jones und das Rad des Schicksals Kritik

Indiana Jones und das Rad des Schicksals

von Sean Theumer

Das hatte sich Disney sicherlich anders vorgestellt nachdem Indiana Jones und das Rad des Schicksals bei den Filmfestspielen in Cannes die obligatorische Standing Ovation bekommen hat. Statt niedergeschriebenen oder gefilmten Jubelorgien bekam der neue Film von James Mangold nämlich erstaunlich durchwachsene Kritiken. Auch im ersten Startwochenende enttäuschte das Werk maßlos mit 60 Millionen Dollar Einspiel am Erstwochenende. Das wären, zugegebenermaßen, für jeden Film mit Originalskript und ohne große Werbung ein beachtliches Ergebnis, aber nicht für einen Film der gottlose 300 Millionen Dollar gekostet hat.

Nochmal zum Mitschreiben: Jede Minute dieses Filmes kostet etwas über 2 Millionen Dollar. Quasi die Hälfte eines üblichen Blumhouse-XY Horrorfilmes. Zählt man die PR-Mittel dazu müsste Indiana Jones und das Rad des Schicksals eigentlich an der Milliardenmarke kratzen um für alle Beteiligten halbwegs profitabel auszugehen. Klar man sich 250 Millionen Dollar weltweit nach einer Woche schönreden, doch damit bestätigt man nur die aktuelle Hollywood-Krise. Die Leute sind Franchises langsam satt und das verwundert hier so gar nicht.

Spätestens nach Indiana Jones und das Rad des Schicksals muss man sich öffentlich bei Steven Spielberg entschuldigen. Nicht nur weil Teil 1-3 absolute Meisterwerke der Kinogeschichte sind und auch ohne die nostalgische Brille funktionieren. Sondern weil Das Königreich des Kristallschädels so übel abgerichtet wurde, wegen seines außerirdischen Einschlags im Finale und der, völlig zurecht kritisierten, miserablen Effekte besonders in der Dschungelverfolgungsjagd. Aber er versprühte den gleichen Charme wie die Vorgänger, bot bis zum Ende fantastische Unterhaltung und gab Indy ein versöhnliches und vor allem verdientes Ende. Aber nochmal zurück zum Anfang dieses Absatzes. Indiana Jones hat auch meine Kindheit geprägt. Wie gerne wollte ich durch die Minenschächte des Tempel des Todes in Loren rasen, hatte Albträume nachdem Mola Ram Herzen aus der Brust riss oder wollte den Fernseher anschreien wenn Indy am Rohr des Panzers hängt und beinahe von einer Felswand zu menschlichem Parmesan verarbeitet wird.

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Dass Indiana Jones und das Rad des Schicksals dieses Level niemals erreichen kann, war im Vorfeld klar. Aber als Zuschauer letztendlich so ein mut- und lustloses Theater vorgesetzt zu bekommen tut dann doch weh. Bei dem monströsen Budget, das James Mangold verpulvert hat müsste man gigantische Sets erwarten, ordentliche Schauwerte an Originalschauplätzen und praktische Effekte die die Leinwand ausfüllen. Hollywood ruht sich mittlerweile auf Nostalgiefaktoren aus und spekuliert, dass es reicht alte Charaktere und Verweise aus der Mottenkiste zu kramen und narrativ auf Sparflamme zu fahren. Doch hier zeigt sich zusätzlich noch was Steven Spielbergs Klasse ausmacht. Das Tempo der Erzählung, cleverer Schnitt, Herz bei jedem Charakter und vor allem nicht alles so bierernst zu nehmen.

Waren die Nazis bei Jäger des verlorenen Schatzes und Indiana Jones und der letzte Kreuzweg immer nah an Dumpfbirnigkeit konnte Spielberg die Charaktere aber so gut inszenieren, dass Schrecken und Lachen beim Zuschauer nah beieinander lagen. In Indiana Jones und das Rad des Schicksals stimmt leider so gut wie nichts. Es beginnt mit einem Prolog zur Zeit des zweiten Weltkriegs der nüchtern betrachtet den Esprit der alten Filme einatmen müsste. Stattdessen stellen wir fest, dass CGI-Verjüngung auch heute noch nicht über den Uncanny-Valley-Effekt hinauskommt. Auch Mads Mikkelsen spielt den Nazi-Bösewicht mit übertriebener Ernsthaftigkeit, was auf alle Baddies später ebenfalls angewendet werden kann. In dunkelster Nacht kommt es zu einem tollen Setpiece auf einem Zug, welches stark an Spielberg erinnert. Problem hierbei sind jedoch die durchwachsenen Effekte und die Helligkeit. Wenn am Ende statt der Entgleisung auf der Brücke auf Indy im Wasser geschnitten wird und kurz darauf auf die digitale Unfallstelle bei Tageslicht. War bei dem Budget kein Geld mehr für computergenerierte Pyrotechnik drin?

Doch das ist nicht das einzige Problem: Indiana Jones und das Rad des Schicksals geht 154 satte Minuten und dreht sich ständig nur im Kreis. Mit 80 Jahren muss Harrison Ford keine gefährlichen Stunts mehr machen aber eine bessere Abwechslung hätte dem Racing gut getan. So reiht sich apathische Verfolgungsjagd an Verfolgungsjagd. Mal digital auf einem Pferd während einer Parade oder im Ubahn-Schacht, mal extrem schludrig montiert in einem TukTuk vor, kaum zu glauben, digitalen Hintergrund und mal in einem animierten Flugzeug. Charakterlich wirft man das versöhnliche Ende über Bord, erwähnt in einem Halbsatz das Schicksal von Indys Sohn und seine Beziehung zu Marion und würgt jeden Ansatz einer emotionalen Szene direkt mit dem nächsten Ortswechsel ab. In so einer Bullenlaufzeit so wenig Zeit für Charakterentwicklung zu bekommen ist schluderig und träge. Die neuen Charaktere sind bestenfalls Lückenfüller. Phoebe Waller-Bridges beweist wiedermal ihr Händchen für schlechte Rollen als nervtötende Helena, Antonio Banderas taucht in der Mitte für 10 Minuten auf um gelangweilt durch die Gegend zu texten.

Selbst in Harrison Fords Gesicht macht sich ein Autopilot breit, die Emotionen die er am Ende von Blade Runner 2049 ausstrahlte sind weg. Und das, obwohl Indiana Jones laut ihm eine lebensbestimmende emotional wichtige Rolle war von der er gebührend Abschied nehmen wollte. Im Finale gibt sich Indiana Jones und das Rad des Schicksals komplett dem Crash hin mit einer irrwitzigen Entwicklung die so gar nicht in die Tonalität passt. Doch auch das ist so videospielartig animiert und mundet in ein unbefriedigendes Finale in der man vergebens auf den großen Knall oder Emotionen wartet. Noch schlimmer, dass der einzige Ansatz von echten Gefühlen mit einem Schlag ins Gesicht und einer Schwarzblende aufgelöst wird. Indiana Jones und das Rad des Schicksals ist mühsames modernes Blockbusterkino ohne Emotionen ertränkt in digitalen Welten. Die fehlende Menschlichkeit merkt man viel zu oft, die Altersschwäche seines Protagonisten in jeder Actionszene, das fehlende Herz im sterilen Drehbuch. Für alle Beteiligten eine Bankrotterklärung und der finale Dolchstoß in Indys Herz, der dafür sorgen sollte das die Leinwand in Zukunft für seine Abenteuer oder Spin-Offs geschlossen bleibt.

Indiana Jones Poster

Regie: James Mangold
Drehbuch: Jaz Butterworth, John Henry Butterworth, David Koepp
Darsteller: Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridges, Mads Mikkelsen, Boyd Holbrook, Antonio Banderas
Score Composer: John Williams
Cinematographer: Phedon Papamichael
Altersfreigabe: 12
Lauflänge: 154 Minuten
Erscheinungsjahr: 2023
Budget: 295.000.000$
Box-Office: 247.600.000$

Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©The Walt Disney Company Germany GmbH

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