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Abigail

von Sean Theumer

Abigail ist so ein Film, der eigentlich alles richtig machen könnte, wenn er nur ein bisschen besser darin wäre, seine eigenen Überraschungen zu verstecken. Das Marketing hat hier leider schon zu viel verraten, und so ist der große Twist des Films (der eigentlich gar keiner mehr ist) schon in den Trailern zu sehen. Das sorgt dafür, dass die erste Hälfte eher träge und vorhersehbar wirkt, denn man wartet im Grunde nur darauf, dass das passiert, was man eh schon weiß. Noch ärgerlicher, dass die Inszenierung auch noch ein Geheimnis daraus macht und mit Motiven spielt, doch dafür kann der Film letztendlich ja leider nichts, sondern Universal. Doch sobald dieser Punkt endlich erreicht ist, drückt der Film das Gaspedal voll durch und wird zu einem herrlich blutigen, überdrehten Spaß, der zeigt, wie viel Leben noch in einem guten alten Vampirfilm steckt.

Die Geschichte beginnt wie ein klassischer Heist-Thriller: Eine Gruppe dumpfbirniger Krimineller entführt die Tochter eines reichen Mannes, um ein saftiges Lösegeld zu erpressen. Sie bringen das Mädchen in eine abgelegene Villa und warten dort auf den Anruf des Vaters. Alles läuft nach Plan – bis plötzlich klar wird, dass hier nicht die Entführer die Jäger sind, sondern selbst zur Beute werden. Denn die kleine Abigail ist kein hilfloses Kind, sondern ein Vampir mit ordentlich Appetit.

Klingt simpel – und ist es auch. Nach etwa 50 Minuten wechselt Abigail komplett den Ton: Aus einem leicht angestaubten Thriller wird eine saftige, bluttriefende Horrorkomödie, die Spaß daran hat, Körper zu zerfetzen, Köpfe platzen zu lassen und in bester Splatter-Manier über die Stränge zu schlagen. Es gibt Momente, in denen das Blut wirklich in Fontänen spritzt, und genau da ist der Film am besten, wenn er sich in seinem praktischen Gematsche suhlt.

Die Regisseure Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett wissen genau, wie man Horror mit Humor mischt und rehabilitieren ihren Ruf nach dem desaströsen Scream 6 zum Glück wieder. In Abigail schaffen sie es zwar nicht, das hohe Niveau ihrer früheren Filme zu halten, aber sie liefern solide Genre-Unterhaltung ab, die man mit Popcorn und einem breiten Grinsen genießen kann. Besonders die titelgebende Abigail, gespielt von Alisha Weir, hat sichtlich Spaß daran, ihre Peiniger nach und nach in blutige Häufchen Elend zu verwandeln. Das Ensemble drumherum ist ordentlich besetzt – Melissa Barrera, Dan Stevens und Angus Cloud (in einer seiner letzten Rollen) bringen genug Energie rein, um den Film lebendig zu halten, auch wenn die Figuren oft nicht mehr als Karikaturen sind. Aber das ist in einem Film wie diesem völlig okay. Hier geht’s weniger um Tiefgang als um Timing, Spaß und Blut.

Was Abigail letztlich etwas bremst, ist sein Anfang. Die erste Hälfte zieht sich zu sehr, und weil man den Twist schon kennt, bleibt die Spannung aus. Doch sobald der Film endlich loslässt und sich voll auf seinen irren Vampirwahnsinn konzentriert, ist man voll dabei. Dann wird’s laut, wild, übertrieben und genau so, wie man’s will.

Empfehlenswert für Halloween weil: Abigail ist kein perfekter Horrorfilm, aber ein verdammt unterhaltsamer. Wenn er zubeißt, dann richtig und in diesen Momenten fühlt man sich fast ein bisschen an die gute alte Zeit des praktischen Horrors erinnert, als Blut noch Farbe hatte und Schrecken noch Spaß machte. Irgendwann befinden wir uns auch wieder in einer Welt, in der Major-Studios den Filmen ihr Mysterium lassen und wir kollektiv im Kino wieder aufgrund einer unvorhersehbaren übernatürlichen Wendung in Euphorie klatschen dürfen!

Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©Universal Pictures Germany GmbH

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