Gestern erschien Alex Garlands neuer Science Fiction Film Annihilation in Deutschland endlich auf Netflix. Entgegen aller Erwartungen entschied man sich, den Film hierzulande direkt beim Streaminganbieter zu veröffentlichen, anstatt ihn ins Kino zu bringen, denn dorthin gehört er eigentlich. Einer der Gründe war unter anderem, dass der Film wohl zu anspruchsvoll für das Publikum ist und man hatte Angst vor einem Misserfolg. Im Prinzip möchte Paramount uns damit sagen. dass sie sich nicht mehr trauen eigenständige Werke zu veröffentlichen und lieber dazu beitragen, dass anspruchslose Comicverfilmungen und X-te Franchisewerke die Leinwand übersättigen. Ich denke zu diesen Umständen muss man keine Worte mehr verlieren, doch besonders zu der Situation der Netflix-Filme.
In einer Reihe von merkwürdigen Algorithmuswerken wie Bright, unwitzigen „Und täglich grüßt das Murmeltier“ Variationen wie Naked, When We First Met oder Rettungswerken gescheiterter Ex-Comedians wie The Do-Over sticht nun aus diesem riesigen Haufen des Mittelmaßes ein Film wie Annihilation hervor. Und man muss nicht lange prognostizieren um festzustellen, dass das Netflix Publikum diesen anspruchsvollen Science Fiction Thriller hassen wird. Netflix selbst rühmt sich ja mit Aussagen, ein Film wie Bright hätte ihnen knapp eine Milliarde Gewinn erbracht. Wenn also Filme, die direkt für das Publikum zugeschnitten werden so erfolgreich sind, hat das eventuelle Missverständnis gegenüber Annihilation etwas mit zu hohem Anspruch zu tun?
Die Antwort lautet Nein! Natürlich ist Annihilation ähnlich wie Ex Machina ein Film ist, der den Zuschauer nicht für dumm verkauft und ihn fordert, jedoch nicht überfordert. Vielleicht hat sich das Filmverständnis nur in eine Tendenz der Anspruchslosigkeit entwickelt und Filme wie Annihilation müssen es ausbaden. Ein ganz großes Meisterwerk wurde hier jedoch nicht inszeniert. Annihilation leidet zuerst an seiner stockenden Exposition, denn Garland hält sich zu sehr an Erklärungen und Dialoge auf um die Handlung in Gang zu bekommen. Das stellt sich jedoch als kontraproduktives Unterfangen heraus, denn der Schnitt von Annihilation lässt das Werk langsamer wirken als es ist. Es geht zwar vordergründig um die Etablierung von Charakteren, doch dreht sich die Handlung nur um die Hauptdarstellerin. Sobald der Motor aber endlich in Gang kommt gibt es beste Science Fiction gemischt mit Thrill, bei dem sich Spannungssequenzen mit grandiosen Bildern zu einem substanzvollen Eye Candy entpuppen.
Das alles bereitet den Zuschauer jedoch nicht auf die letzten 30 Minuten vor. Beginnend mit einer im wahrsten Sinne „Bären“starken Spannungsszene lässt das Finale die Wunder auch Wunder sein und verwehrt sich der Ausformulierung. Die titelgebende Vernichtung betrifft nicht nur die Regeln der Natur oder die Lebewesen innerhalb des Oközentrums, sondern zeitgleich auch die Erinnerungen an geliebte Menschen und die Umklammerung an Gedanken. Durch diesen Dramaeinschub bekommt das Geschehen mehr Tiefgang und Identifikation und ist, trotz einiger Startschwierigkeiten, ein wirklich gelungener Film mit bombastischem Score von Ben Salisbury und Geoff Barrow. Auch wenn sicherlich nicht jeder mit dem Ausgang der Geschichte zufrieden sein wird und die Substanz abseits der visuellen Schönheit als unnötig und unlogisch erachtet. An die inszenatorische und narrative Brillanz eines „Ex Machina“ kommt Garlands frisches Werk jedoch nicht ran, denn dazu fehlt die Transzendez des Skripts und das nötige Feingefühl in der Etablierung von Charakteren und deren Motivation.
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