Johnny Depp mal nicht als Tunte, sondern mit aufwändiger Maske und starkem Schauspiel in einem Film zu sehen, grenzt an eine Überraschung! Ob Black Mass auch so gut ist wie sein Hauptdarsteller?
Scott Coopers dritter Film startete in den deutschen Kinos und stellt ein überaus beeindruckendes Star-Ensemble auf die Beine, mit unter Benedict Cumberbatch, Kevin Bacon und Peter Sarsgaard. Das gemeinsame Gegeneinander von Johnny Depp und Joel Edgerton basiert auf wahre Ereignisse und bietet großes Potential für eine gute Gangstergeschichte. Doch ein guter Plot ist nicht immer gleich ein guter Film.
Der Ex-Knacki Whitey Bulger (Johnny Depp) führt eine kriminelle Bande in Bosten. Zeitgleich ist eine italoamerikanische Mafia im Umlauf, der der FBI-Agent John Connolly (Joel Edgerton – „Exodus: Götter und Könige“, „Warrior“) auf der Spur ist. Um diese zu schnappen, holt sich Connolly Bulger als Informant hinzu. Doch Bulgers Strafverfolgungsfreiheit ermöglicht ihm seine kriminelle Karriere als Gangsterboss zu fördern.
Ästhetisch erinnert der grandios fotografierte Gangsterfilm stark an Genrevertreter der Siebzigerjahre, allen voran William Friedkin’s „French Connection“. Das macht den besonderen Reiz der nostalgischen Visualität aus. Auch narrativ ist der Film fern der üblichen Drehbücher des heutigen Kinos und setzt eher Wert auf eine intensiv aufbauende Handlung, die sich jedoch teils etwas zu sehr an diesen Stil ergötzt und anfangs ein paar Längen aufweist. Die Charaktere sind allesamt gut bis sehr gut verkörpert. Am herausragendsten ist Edgertons Darstellung, der seine Figur zum Ende hin immer bravuröser interpretiert. Umso ärgerlicher ist die monotone Folie des klassischen Gangstercharakters von Depp, der zwar mimisch überzeugt, aber kein Leben in seine Figur einhaucht. Diese Schuld trägt besonders das Drehbuch, das die Biografie von Bulger brav abklappert, ohne die Figur an sich zu vertiefen. Stattdessen fokussiert es seine ausschlaggebenden Taten und die von ihm beeinflussten, manipulierten Mitmenschen, denen jeglicher freier Wille vorweggenommen wird. Gelungen ist diese Umsetzung von Ideen jedoch nur Teils, da manche Aspekte etwas zu schwach in entscheidenen Szenen zum Ausdruck kommen. Andererseits ist die in Frage stellende Solidarität der Kooperation seitens der Polizei überaus geglückt und mit einem prägnanten Ende geschmückt – auch in dieser Hinsicht wieder stark von „French Connection“ beeinflusst.
Schnelle Schnitttechnik und popkulturelle Musik á la Scorsese braucht „Black Mass“ nicht. Seine klassisch-cineastische Inszenierung mit Einfluss und Verneigung gegenüber des New Hollywoods zeichnet ihn aus. Auch Themen wie Moral und Solidarität werden hier gelungen aufgegriffen, jedoch an manchen Stellen zu zart angepackt. Ein Blick auf dieses lobenswert gespielte Gangsterkino sei trotzdem jedem empfohlen.
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