Die Erwartungen hätten nach Talk to Me kaum höher sein können. Dass die Philippou Brüder nach ihrem gefeierten Debüt nicht einfach die gleiche Schiene weiterfahren, sondern eine nochmal deutlich ernstere, emotionalere Richtung einschlagen würden, war direkt mit dem ersten Teaser klar. Und doch überrascht Bring Her Back damit, wie kompromisslos, düster und stellenweise geradezu grausam er seine Geschichte erzählt. Seid bereits für eines der intensivsten Horrorfilme des Jahres.
Im Mittelpunkt steht Andy, ein Teenager, der nach dem Tod seines Vaters alles daransetzt, für seine blinde Stiefschwester Piper zu sorgen. Bis zu seinem 18. Geburtstag müssen beide bei Laura unterkommen, einer ehemaligen Betreuerin, die ihre eigene Tochter verloren hat. Was wie eine Übergangslösung wirkt, entwickelt sich schnell zu einem schleichenden Albtraum: Lauras Fürsorge kippt in Obsession, die Atmosphäre im Haus wird dichter, die Realität poröser. Die Philippous erzählen das mit einer eiskalten Präzision, die an Klassiker des psychologischen Horrors erinnert. Keine hektischen Schnitte, keine überlauten Schocks, sondern reine bohrende Beklemmung.
Was Bring Her Back so stark macht, ist seine Kontrolle über Stimmung und Raum. Jede Szene atmet Düsternis, jede Bewegung ist kalkuliert. Die Kamera von Aaron McLisky schleicht sich förmlich an die Figuren heran, beobachtet statt zu urteilen und fängt dabei eine Bedrohung ein, die selten sichtbar, aber immer spürbar ist. Das Sounddesign unterstreicht das brillant – dumpf, nah, unheilvoll. Besonders in der Mitte des Films entfaltet sich ein Moment von solcher Brutalität, dass man beinahe vergisst zu atmen. Bring Her Back enthält zwei der drastischsten Szenen, die ich dieses Jahr im Kino gesehen habe – nicht, weil sie effekthascherisch wären, sondern weil sie emotional und durch ihre Physis zersetzen, an die Substanz gehen und sprachlos zurücklassen.

Sally Hawkins ist dabei schlicht herausragend. Ihre Laura ist keine Schreckfigur, sondern eine Tragödie auf zwei Beinen – zerrissen, verzweifelt, gefährlich. Hawkins spielt das mit so viel gebändigter Energie, dass man selbst in ihren stillsten Momenten spürt, dass etwas in ihr tobt. Nicht alles funktioniert makellos. Der dritte Akt ist etwas überladen, die Auflösung kommt schneller, als sie sollte, und einige Nebenfiguren bleiben dramaturgisch zu vage. Nach dem kontrollierten Aufbau wirkt das Finale fast, als würde der Film kurz die Luft anhalten und dann zu hart zuschlagen. Und dennoch bildet das Schlussbild den perfekten Abschluss für den 100 minütigen Schlag in die Magengrube, den man mit Einsetzen des Abspanns endlich überstanden hat.
Empfehlenswert für Halloween weil: Wann habt ihr das letzte Mal nach einem Film nach Interviews geguckt, um sicherzugehen dass es allen Darstellern gut geht? Bring Her Back ist kein Film für jeden. Er ist sperrig, fordernd und manchmal gnadenlos. Präzise inszeniert und emotional zerschneidend, dass es sich wirklich in die Haut brennt. Die Philippou-Brüder sind keine Zufallsregisseure, sie sind Filmemacher mit Vision und dieser Film beweist es erneut


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