„Schon wieder ein Slasher.“ Das kann man sich bei geradezu jedem zweiten Horrorfilm denken. Dabei gibt es unter ihnen oft zwei prägnante Sorten: Die, die sich den Konventionen mit voller Hingabe niederknien – und die, die sie um alles auf der Welt brechen wollen. Der norwegische Slasherfilm Cold Prey – Eiskalter Tod gehört zu den ersteren. Belegbar ist das an einer kurzen Zusammenfassung der Rahmenhandlung: Mitzwanziger, Ausflug jenseits touristenfreundlicher Orte, Unfall, kein Handyempfang, leerstehende Hütte in Sicht, Einnistung. Ist das jedoch ein Grund zur Totalversagung? Scheinbar auf keinen Fall.
Er ist ein kleines Phänomen, dieser Film. Der ausbaubare 2000er-Look von Cold Prey kommt den Altbacken-Charakteren äußert entgegen, wodurch die ersten 20 Minuten bereits größten Standard bieten. Vom Vorstellen der Charaktere, über den Highschool-Rock als Soundtrack, bis hin zum ersten Stimmungskiller, der die Gute Laune der Gruppe frühzeitig zum kippen bringt. All das ist im farbtristen Colorgrading zu sehen, der passend zum ersten Schicksalsschlag in einen dunklen Blaustich taucht. So weit, so bekannt. Doch schlägt das Drehbuch zu irgendeinem Zeitpunkt heimtückisch eine neue Richtung ein? Nicht die Spur. Und trotzdem nagt die Spannung mit kräftefordernder Hartnäckigkeit an den Nerven.
Wer mit Wendungen oder Neuerzählungen rechnet ist hier Fehl am Platz. Nichts ist den Drehbuchautoren lieber, als die Geschichte vollkommen beim Alten zu lassen. Umso größer ist die Verantwortung vom Regisseur des kommenden Tomb Raider-Films, Roah Uthaug. Ihm gelingt nicht nur der nötige Thrill, sondern zudem noch perfides, unbehagliches Terrorkino. Das grobe Mysterium um die Geschichte des Handlungsortes löst dabei den größten Spuck im Kopf aus. Darüberhinaus überzeugen die fünf Darsteller auf ganzer Linie, denen die nötige Identifikation mit den eigentlich flachen Charakteren gelingt. Und ehe alle Klischees vergessen werden: Selbst die lautkrachenden Jump-Scares dienen tatsächlich mehr als Zweck zur konstanten Spannung statt letztlich zu nerven.
Cold Prey – Eiskalter Tod ist hohe Qualität niedrigen Standards, das Beste vom Üblichen. Dass dies nicht nur ein Erstdruck ist, kann im selben Zug widerlegt werden, denn die Zweitsichtung verliert kein Bisschen von der unerträglichen Spannung. Bei einem Film, der selbst beim ersten Mal trotz aller Durchschaubarkeiten dermaßen in den Sessel drückt, ist das wohl eine kleine Glanzleistung.
Empfehlenswert für Halloween, weil der überraschend wirksame Terror keinen Moment zum Durchatmen lässt. Stattdessen ist man heilfroh, wenn der Abspann läuft und der Puls vorsichtig herunterfährt. Wer mal wieder richtig Angst bei einem Horrorfilm haben möchte, der schaut sich Cold Prey an.
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