Johannes Naber fiel 2014 mit seinem bissigen Antikapitalismus-Kammerspiel „Zeit der Kannibalen“ auf, das bei der Kritik hierzulande äußerst wohlwollend aufgenommen wurde. Da ließ ein größeres (für die visuellen Effekte war die Firma Chimney verantwortlich, die schon an „Her“ mitarbeitete) Projekt nicht lange auf sich warten: Mit „Das kalte Herz“ adaptierte Naber das gleichnamige Kunstmärchen des romantischen Schriftstellers Wilhelm Hauff. Und wahrlich märchentypisch fällt auch die Fabel aus.
Peter, der Sohn eines armen und erfolglosen Köhlers – eine geächtete Zunft -, verliebt sich in Lisbeth (Henriette Confurius), die Tochter eines reichen Unternehmers. Um an Wohlstand und das Herz Lisbeths zu gelangen, lässt er sich drei Wünsche vom „Glasmännchen“ (Milan Peschel), einem gutmütigen Waldgeist, erfüllen. Alles läuft gut, bis ihm die unglückliche Formulierung seiner Anliegen zum Verhängnis wird und Peter sich an dunklere Mächte wendet. Das alles findet im mittelalterlichen Schwarzwald statt…
Peter wird von Frederick Lau, seit „Victoria“ einer der vielversprechendsten deutschen Schauspieler, verkörpert. Man kommt jedoch nicht umhin, in seinem Spiel eine auffallende mimische Monotonie – manche mögen es vielleicht Debilität nennen – festzustellen, was zu Beginn des Films nicht stört, aber im weiteren Fortgang doch zu offensichtlich wird. So ist es schwierig, die Bindung zur Hauptfigur nicht zu verlieren, einige Nebenrollen können aber glänzen: Moritz Bleibtreu als abgründiger Einsiedler mit bösen Absichten, und Milan Peschel, der im schrulligen Waldgeist wohl die Rolle seines Lebens gefunden hat.
Naber erzählt die freilich eindimensionale Geschichte ohne besondere Einfälle, der naturgemäß eher flachen Natur eines Märchens kann er nur wenig entgegensetzen. Wo andere Verfilmungen ähnlicher Stoffe den expressiven, gruseligen Aspekt betonen oder durch eindrucksvolle Bebilderung erstaunen und bewegen, geht man hier einen ungesunden Mittelweg, schafft einen düsteren Film, wodurch man dem gegenwärtigen Trend zum Sinistren auf den Leim geht (siehe: „Snow White and the Huntsman“) und dem Stoff jegliche Magie austreibt, was der Zuschauer einfach so hinnehmen muss.
Das fällt vor allem in der zweiten Hälfte und am Ende ins Gewicht. Für lange Zeit versucht man, noch einen erzählerischen Aspekt hineinzuzwängen, die Folge ist das Gefühl der Langatmigkeit. Der Score sorgt oft für lächerliche Spitzen, gänzlich missraten ist er aber nicht; seine ruhige Untermalung in manchen Szenen ist stimmig und überzeugt. „Das kalte Herz“ ist ein Film ohne Zwischentöne, durch seine absolute Gut-Böse-Dualität bleibt dem Film ein diskursiver Rezeptionsansatz verwehrt. Peter wandelt sich dank Gier und Verzweiflung schlagartig zum Raubtierkapitalisten. Die Rettung findet er in der Liebe und dem Mystischen. So simpel (und wenig originell) ist das, wenngleich die Ausbreitung marktwirtschaftlich-kapitalistischer Strukturen in einer (noch) archaischen Gesellschaft mit beinahe feudalen Machtgefügen in Ansätzen thematisiert wird – hier versäumt es Naber, dem das Thema doch zu liegen scheint, diese auszubauen und weiterzuverfolgen.
Phantastischer Film aus Deutschland? Sehr gerne, und manch einer kann möglicherweise über alle diese Schwächen hinwegsehen, dem Film am Schluss verzeihen; ansonsten ist dieses Kino aber einfach zu kalt und ohne Genrebewusstsein.
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