Shawn Levys Deadpool & Wolverine, in diesem Jahr als einer der Blockbuster des Jahres angekündigt, hat mit hohen Erwartungen sowohl Fans der X-Men als auch Liebhaber schwarzhumoriger Superheldenfilme ins Kino gezogen und sollten nach den qualitativen Ausreißern der Marvel Studios in Bodenlose endlich eine neue Kehrtwende andeuten. Die Vorfreude auf die Zusammenführung von Deadpool und Wolverine versprach ein Filmereignis voller Action, Witz und nostalgischer Momente, bei dem es jedoch um die Stringenz fraglich war, da Logan in James Mangolds Meisterwerk einen emotionalen Abschied hatte. Und was sollen wir sagen, außer, dass Marvel die Denkmalschändung besser sein gelassen hätte, denn Deadpool & Wolverine wird nur Harcore-Fans ansprechen, denen filmische Qualitäten völlig scheißegal sind.
Die Prämisse des Films scheint auf dem Papier vielversprechend: Deadpool und Wolverine sollen gemeinsam ein bedrohliches Szenario verhindern, in dem das Schicksal der Welt auf dem Spiel stehen. Und weil seit Endgame im Jahr 2019 Multiversen die einzige Möglichkeit sind noch irgendwie was beim Comicfan zu erregen, spielt man mit diesem Konzept auch hier. Zumindest in den Trailern. Die Handlung wird jedoch zusehends von Inkonsistenzen und unsauberer Struktur geplagt und erinnert mehr an eine Aneinanderreihung von viralen Clips als einer Geschichte.
Ein besonders auffälliges Problem des Films liegt in seinem uneinheitlichen Ton. Deadpool war stets bekannt für seinen schamlosen, oft subversiven Humor, der die Grenzen des guten Geschmacks bewusst, wenn auch mitunter sehr forciert, übertritt. Diese Tendenzen werden hier jedoch bis zum Exzess ausgereizt, was auf Dauer monoton und vorhersehbar wirkt. Der Humor verkommt hier zu einer Abfolge flacher, überstrapazierter Gags und wiederholter Metawitze, die Originalität vermissen lassen, während der Film emotional unnötig aufgeblasen im zweiten Drittel das Tempo beinahe komplett rausnimmt.
Ryan Reynolds und Hugh Jackman, beides erfahrene Schauspieler mit einer starken Bindung zu ihren Charakteren und private bestens befreundet, werden hier leider in einem skripthaften Korsett gefangen, das kaum Raum für interessante oder überraschende Entwicklungen lässt. Ihr werdet ständig daran erinnert welche alten Superhelden im X-Men Kosmos noch existieren und hier ihre Reinkarnation feiern, aber das wirkt so zweckdienlich. Ein Charakter taucht auf und verschwindet wieder ohne dabei groß zur Handlung beizutragen, sondern eher wie ein Showcase mit „Tada, den haben wir auch noch in diesen Film gequetscht“. Wem das reicht, wird hier mehr als glücklich.
Die Action-Sequenzen sind überraschend kompetent inszeniert, aber sie stützen sich übermäßig auf CGI und visuelle Effekte (insbesondere die langen Takes bei denen die Schnitte immer mit Effekten kaschiert werden sollen), was die Kämpfe oftmals steril wirken lässt. Wenn Alt-Stars in eine Massen-Getümmel losgelassen werden, geht jegliche Übersicht in schnellen Schnitten und wackligen Einstellungen verloren, das Finale wird üblich für Comicverfilmungen aus dem Hause Marvel wieder sehr aufgeblasen, hat allerdings einen wirklich guten Kampf, auch wenn die Auflösung ohnehin keine Fallhöhe hat. Wieso man sich letztendlich fast 130 Minuten mit dem Disput zwischen Cassandra Nova zu allen anderen aufgehalten hat, wenn ihre Figur keinerlei Rolle mehr spielt, wissen wohl nur die Menschen die diesen Müll verbockt haben.
Insgesamt erweist sich Deadpool & Wolverine als enttäuschender Beitrag zum Superhelden-Genre, der sich in seiner eigenen Inszenierung verliert. Lahmer Fanservice, der geschickt mit Multiversen ködert, nur um einen kleinen Bruchteil des Potenzials zu nutzen, um wahllos Cameos von längst vergessenen Marvel-Charakteren in einer unzusammenhängenden Abfolge von Einzelszenen abzufeuern (ernsthaft, ein Narrativ sucht man vergebens), damit wenigstens die Fans, die vom filmischen Output seit Endgame enttäuscht waren, endlich wieder Licht in ihrem Leben haben. Für alle anderen wird diese Aneinanderreihung von prepubertären Pimmelwitzen und tonalen Schwierigkeiten sehr schwer durchzustehen sein.
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