In diesem fast vergessenen Klassiker von 1980 trifft 2001: Odyssee im Weltraum auf David Cronenbergs Die Fliege, berauscht mit psychedelischen Zuständen eines Gaspar Noés. Darf ich vorstellen: Der Höllentrip von Ken Russell.
Zwei Wissenschaftler suchen nach dem Urzustand des Lebens, indem sie mit psychedelischen, nicht-synthetischen Drogen experimentieren. Einer der beiden Wissenschaftler, Professor Eddie Jessup (William Hurt), nimmt sich selbst als Versuchsexemplar und sucht in seinem Unterbewusstsein nach den Milliarden Jahre alten Informationen, die in der DNA gespeichert sind – mit unvorstellbaren Folgen jenseits von Raum und Zeit.
Was nach einem ziemlich abgefahrenen cineastischen Trip klingt ist in Wahrheit ein alles sprengender, größenwahnsinniger Rauschzustand auf Zelluloid gebrannt. Der unbezwungene Drehbuch-Meister Paddy Chayefsky persönlich schrieb das Skript zu diesem bahnbrechenden Science-Fiction Film, der sich langsam in einen Body-Horrorfilm jenseits von Verständnis für Materie entwickelt. Das klingt alles sehr nach einem kreativen B-Movie, ist aber tatsächlich mit beachtlicher Qualität und Kreativität umgesetzt worden. Denn wer denkt, dass alte Filme ein langsames Schnitttempo haben, der bekommt in einigen Sequenzen die geballte Vibration von Editor Eric Jenkins zu spüren. Solch eine Stärke hat man bei einem Film diesen Alters kaum, wenn nicht sogar niemals gesehen.
William Hurt ist bekanntlich ein großartiger Schauspieler und in meinen Augen eine absolute Größe seiner Generation. Allein seine Auftritte als Nebendarsteller in Shyamalans The Village – Das Dorf oder Cronenbergs A History of Violence bleiben trotz Glanzauftritten der Hauptdarsteller unvergessen und einnehmend. Ihn in seinem Kino-Debüt zu sehen und noch dazu in einer Hauptrolle, wärmt das cineastische Herz umso mehr. Und ja, hier sticht sein Talent wiederholt zweifellos heraus. Auch wenn der Rest des Cast, allen voran Blair Brown und Charles Haid, allesamt für sich sprechen, ist es doch Hurt, der mit seiner Intensität jegliche Glaubwürdigkeit für sich einnimmt.
Kubricks letztes Kapitel aus seinem Weltraum-Klassiker 2001: Odyssee im Weltraum stand bei vielerlei Szenen zweifelsohne Pate. Nichtsdestotrotz nutzt Regisseur Russell diese Tricktechniken für die eigene Geschichte und interpretiert das Spiel mit Farbexplosionen und orientierungslosen Schwebezuständen neu. Herausgekommen ist eine gewaltige Kraft an Bildern, die gekonnt mit dem Thrill und der Wissemschaftsgier des Inhaltes spielen, um ebenso wie die Handlung selbst Grenzen zu überschreiten. Das ist Hard-Sci-Fi in seiner reinsten Form, doch nimmt sich der Film mit seinen anspruchsvollen Fragen über Religion und Wissenschaft, Subjektivität und Realität jederzeit ernst. Doch zum Glück entstammt das Drehbuch aus den Feder von Chayefsky, der mit feurigen Dialogen ebenso Witz und Ironie verstreut. Einzig zum Verhängnis sind manche Effekte, die in keinem Idealzustand gealtert sind. Doch das sei einem Film wie Der Höllentrip verziehen, der mit einer sagenhaften Kreativität neue Abgründe kreiert und sie so faszinierend wie möglich visualisiert.
Empfehlenswert für Halloween, weil Paddy Chayefskys Drehbuch, William Hurts Schauspiel und Russells Regie zu einem psychedelischen Horrortrip einladen, der die Grenzen von Raum und Zeit visualisieren und personifizieren will. Klingt unmöglich (ist es auch), bleibt aber ein spektakulärer Science-Fiction-Body-Horror mit dramaturgischer Stärke und unvergesslichen Bildern, wie auch grandiosen Schnitttechniken.
Regie: Ken Russell
Drehbuch: Paddy Chayefsky
Produktion: Daniel Melnick, Howard Gottfried
Darsteller: William Hurt, Blair Brown, Bob Balaban
Altersfreigabe: ab 16
Laufzeit: 102 Minuten
Verlöffentlichungsjahr: 1980
Budget: 14,9 Mio. USD
Box Office: 19,9 Mio. USD
Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Warner Brothers.