In den letzten zwei Jahren hatten wir bei den Frights Ekel und Rosemary’s Baby von Roman Polanski. Nun folgt das finale Kapitel der Apartment-Trilogie mit Der Mieter – einem Mystery-Thriller, der von niemand anderen hätte inszeniert werden dürfen.
Der junge Büroangestellte Trelkovsky (Roman Polanski) zieht in eine Altbauwohnung in Paris ein, die aufgrund eines Suizids der Vormieterin freigeworden ist. Kaum eingelebt, wird der junge Mieter direkt mit den Nachbarn des Gebäudekomplexes konfrontiert, für die Ruhe eine absolute Heiligkeit ist. Doch die fordernden Normen werden zur Belastung, die sich sowohl psychisch, als auch physisch ausübt.
Wiederholt zeichnet sich Polanskis Werk durch eine kafkaeske Handschrift aus, die die eigenen vier Wände ausweiten, verdunkeln und letztlich erdrücken lässt. Das alles schafft der Regisseur und Co-Autor des Drehbuches durch einen verunsicherten Protagonisten, dem die Meinung seines Umfeldes sehr nahe geht. Das Resultat jener charakterlichen Grundsätze ist ein soziales Wohlgefallen, das zur Paranoia der eigenen Entfremdung führt. Dafür nutzt Polanski ganz alltägliche Situationen, wie das Regulieren und Kontrollieren der Zimmerlautstärke. Schnell wird auch der Zuschauer von jenen neurotischen Zügen ergriffen, die gerade deswegen funktionieren, weil sie eben so simpel aus dem echten Leben gegriffen sind.
Die Hinführung und Zielrichtung des Filmes ist relativ durchschaubar, was den Eindruck der Erstsichtung etwas schmälert. Trotzdem entsteht eine klaustrophobische Sogkraft, die sich, wie bei so vielen Werken von Polanski, unheimlich langsam entfaltet. Somit sieht man dem unschuldigen Protagonisten dabei zu, wie er sich durch äußerliche Erwartung entfremdet und, geradezu perfekt metaphorisiert, als Transvestit die Form seiner Vormierterin annimmt. Es ist ein Szenario, das sinngemäß erschreckend nahe an der Realität ist, wo der Druck zur gesellschaftlichen Anpassung und die eigene Entfremdung durch die soziale Integration Hand-in-Hand gehen.
Jenen inhaltlichen Diskurs erzählt Polanski mit vielen unaufgelösten Mysterien, die sich wie Albträume erst in der Nacht entfalten. Am denkwürdigsten ist dabei die Funktion der Gemeinschaftstoilette für die Dramaturgie des Filmes, die die schaurigsten Momente in Der Mieter involviert. Nichts dazu findet eine Erklärung am Ende und doch ist es unvermeidlich für die Atmosphäre der nachbarschaftlichen, unantastbaren Verschwörung. Alles wirkt, als wäre man als Mieter den Forderungen seines Umfeld ausgesetzt, ganz nach dem Motto: Sei das, was wir fordern oder werde zu dem, was uns nicht gerecht wurde.
Ja, Der Mieter ist wiedermal keine leichte Kost des franko-polnischen Regisseurs. Interessanterweise war das Finale seiner Apartment-Trilogie vorausschauend für den Werdegang des Filmemachers in den Medien. Wie dem auch sei, sein Mystery-Thriller von 1976 ist ein Paradebeispiel des Sozialhorrors, das nicht nur visuell bahnbrechend ist, sondern auch stellvertretend für die Abgründe gesellschaftlicher Ansprüche ist. Wäre der Film nicht ganz so vorhersehbar gewesen, hätte er sogar ein Masterpiece werden können.
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