Nun kommen wir zu einem ganz persönlichen Film von mir. Als Kind sah ich ihn unendliche Male und jetzt, viele Jahre später, betrachte ich ihn unter den Fittichen der Frights: Der Omega-Mann mit Charlton Heston.
Die Menschheit hat sich durch atomare Kriege und einem dadurch erschienen Virus selbstzerstört. In Los Angeles ist nur noch der Wissenschaftler Robert Neville übrig geblieben, der sich kurz vor der Postapokalypse ein Antivirus spritzen konnte und von der Seuche verschont bleib. Wenige andere konnten jedoch auch überleben, wenn auch nur unter strengen Bedingungen: Der Virus ließ sie zu lichtscheuen, nachtaktiven Albinos mutieren, die sich sektenartig zusammengeschlossen haben, um die letzten Erinnerungen an die alte, mit Wissenschaft verseuchte Welt zu zerstören – und damit auch Neville selbst.
Anfang der Siebzigerjahre wurde mit Der Omega-Mann von Boris Sagal bereits das zweite Mal die Romanvorlage Ich bin Legende verfilmt, nachdem sich Vincent Price romangetreu gegen Vampire wehrte. Drei Jahrzehnte nach Sagals Remake durfte bekanntlich auch Will Smith in die Rolle des einsamen Wissenschaftlers für den Film I Am Legend schlüpfen. Wie man sieht, wird der Stoff stets mit Stars seiner Zeit besetzt, mit deren Wechsel sich auch die Darstellung der Infizierten von Vampiren über Sektenanhänger bis hin zu Zombie-ähnlichen Wesen veränderte. Alles, in gewisser Weise, im Sinne des Zeitgeistes. Und genau darum ist die Version von 1971 auch am interessantesten.
Die US-amerikanischen Krisenwellen von Kuba über Manson sind kristallklar und beängstigend gut in Der Omega-Mann verarbeitet worden. Sinngemäß ist der Anführer der Infizierten in Flashbacks als früherer Fernsehmoderator erkennbar, womit sich neben Gegenwartsverarbeitungen sogar eine zynische Medienkritik herausfiltert. Zutiefst pessimistisch ist fortlaufend der Ton, der seine Massen an Themen schlüssig unter einen Hut bekommt, ohne überladen oder aufgezwungen zu wirken. Es ist ein abgründiges Abbild einer Krisenzeit, das sich spannend und furchteinflößend als Endzeitfilm tarnt.
Wodurch der Film besonders in den USA an Wichtigkeit erlangte, war durch die „interracial“ Beziehung zwischen Neville und einer schwarzen Frau. Die Rassefrage tritt dabei an keiner Stelle auf. Somit ist jene Seite des Werkes eine absolute Wohlfahrt, in der der intensive Filmkuss zwischen beiden als einer der ersten „interracial kisses“ der Filmgeschichte bezeichnet wird. Es ist traurig, dass dieser Aspekt so hervorgehoben werden muss, aber im Zuge der historischen Wichtigkeit nun mal notwendig.
Abseits der Politik lebt der Film viel mehr von seiner undurchdringlichen Atmosphäre, die dank menschenleeren Häuserblöcken und dem einzigartigen Soundtrack zeitlos ist. Besonders in seinem Finale warten ein paar Momente auf, die heute noch erdrückend sein können. Doch auf die Intensität und den Schauer muss nicht erst eine Stunde gewartet werden. Schon die Eröffnungsszene gibt ein radikales Statement zu den nächsten 90 Minuten, die immer wieder von Melancholie zum Horror umschlagen. Dafür ist nicht nur die schlüssige Charakterzeichnung vom Protagonisten verantwortlich, sondern ebenso die beängstigende Präsenz der Infizierten mitsamt ihrer Ideologie, die mehr Wahrheit beinhaltet als sie bei klassischen Bösewichten üblich ist.
Der Omega-Mann fasziniert heute noch durch seine gruselige Grundstimmung und den vielen politischen Zwischentönen. Sei es als Kubakrisenverarbeitung, Black Power Movement oder Sektendeformation; Der Science-Fiction-Horrorfilm beweist zeitlose Vielfalt mit albtraumhaften Bilder, die darüberhinaus einen eindrucksvollen Cast zum Vorschein bringen. Und außerdem ist er ein wichtiger Teil meiner späten Kindheit, also mehrfach punktend auf meiner persönlichen Seite.
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