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Des Teufels Bad

von Sean Theumer

Auch schon lange nicht mehr traurig und niedergeschlagen gewesen? Der neueste Film von Veronika Franz und Severin Fiala wird da Abhilfe schaffen und bildet einen weiteren starken Eintrag in der ohnehin schon souveränen Vita des Regieduos. Des Teufels Bad greift nämlich den mittelbaren Suizid aus, von dem es mehr als 400 dokumentierte Fälle gibt. Dabei ging es meist jungen Frauen um die Umgehung des kirchlich vorgelegten Dogmas der Verdammung bei Selbstmord, indem sie meist Kinder töteten um sie davor zu wahren Sünde zu begehen und gleichzeitig von ihren Sünden bei Todesstrafe freigesprochen zu werden. Und welche Route der Film dabei einschlägt wird direkt im Opening ausdrücklich vermittelt.

Des Teufels Bad ist analog auf 35mm gedreht wurden, mit ausschließlich naturalistischen Bildern. Bedeutet also, dass kein künstliches Licht für die Aufnahmen verwendet wurde. Und das kommt der kargen, düsteren Tristesse in der Agnes gefangen ist zu Gute. Der Liebe wegen zieht sie zu ihrem Mann Wolf nach der Hochzeit in eine kleine abgelegene Waldhütte in der Nähe seiner Familie. Doch für die streng religiöse Agnes erfüllt sich der vorgegeben Weg einer gläubigen Frau nicht. Sie wird nicht schwanger und endet in einer Spirale aus Zweifeln, Angst und unaussprechlichen Gedanken. Des Teufels Bad ist dabei jedoch weder auf explizite Religionskritik, noch die glasklare Formulierung von Depression im 18. Jahrhundert bemüht.

Wenn die Historie eine Sache mit Überlieferungen bewiesen hat, dann dass religiöser Fanatismus das größte Gift ist was der Welt je gegeben wurde. Dazu braucht es kein Fingerzeigen. Stattdessen suhlt sich der Film einer ungeheuren Konsequenz an den Folgen alter Dogmas und den gegebenen Bedingungen die wir heute nicht mehr nachvollziehen können. Merken wir, dass unsere Gedanken das Leben als wertlos erachten, suchen wir uns im besten Fall Hilfe. Bei Erwartungsdruck an männliche Potenz und Kinderwunsch reden wir miteinander. Als Zeitportrait reißt Des Teufels Bad uns jedoch in einige sperrige und beklemmende Tour de Force.

Sperrig, weil das Zielpublikum für diesen Film extrem gering ausfällt. Auf 121 Minuten wird sich viel Zeit genommen die Isolation und das Leiden anhand von Naturbildern und ausgefallenem Sound-Design zu bebildern und nicht davor zurückzuscheuen mit bitterer Konsequenz die Kamera drauf zu halten. Und da sei eine Triggerwarnung ausgesprochen: Allein die ersten 5 Minuten sind so drastisch und für Eltern fordernd, dass man meinen könnte das Schlimmste überstanden zu haben, aber weit gefehlt. Nach The Lodge, dessen bittere Konsequenz am Ende die Kinnlade fallen ließ, setzt sich das Genrespür von Franz & Fiala fort. Immer nah an Horrormotiven und ausgeladenen Spannungssequenzen, weiß das Duo welche Stellschrauben gedreht werden müssen, um in seiner Message nicht drucklos zu verpuffen. Und die letzte Viertelstunde ist so niederschmetternd wie lange kein Film mehr, beginnend mit einer der intensivsten Schauspielleistungen eines Kindes der letzten Jahre.

Anja Plaschg ist eine wahre Wucht als Agnes und zeichnet sich ebenfalls für den Soundtrack aus, der mit zu den besten des Jahres gehört. Eingehüllt in eines der besten Sound-Designs des Jahres entsteht eine Urkraft von einem Film. Ein nihilistischer düster Rückblick in noch finstere Zeiten, bei der wir froh sein dürfen frei von kirchlichen Gesetzen und Grundsätzen aufwachsen zu dürfen. Bei weitem kein zugängliches Horrordrama, aber eine intensive Seherfahrung, die erneut für mächtig Eindruck sorgt und gespannt warten lässt, für welche Abgründe sich Veronika Franz und Severin Fiala das nächste Mal filmisch entscheiden. Gestern war die Sichtung und die liegt mir immer noch schwer im Magen mit der Erkenntnis, dass eine weitere Sichtung das Gefühl nur noch mehr verstärken wird. Ein wirklich toller Film!

Empfehlenswert für Halloween weil: die Weltgeschichte manchmal schlimmere Geschichten schreibt, als es mordende Psychopathen oder übernatürliche Wesen je darstellen könnten. Des Teufels Bad ist eine anstrengende und drastische Auseinandersetzung mit mittelbaren Suizid, ohne dabei von wirkungsvollen Bildern zurückzuschrecken, aber belohnt mit einer wuchtigen Seherfahrung gebettet in naturalistischen analogen Bildern, einer tollen Darstellerin und einem der besten Soundtracks des Jahres. Angucken!

Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©Studiocanal

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