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Doctor Sleep

von Sean Theumer

The Shining ist einer der besten Horrorfilme aller Zeiten, der auch heute noch aufgrund seines psychologischen Unterbaus und der intensiven Darstellerleistung von Jack Nicholson hervorragend funktioniert. Hätte im Jahr 1980 jemand gesagt, dass knapp 40 Jahre später eine Fortsetzung mit dem Namen Doctor Sleep erscheint, die sogar auf einem Roman von Stephen King basiert, wäre wohl ein einstimmiger Kanon präsent gewesen: Intensives Kopfschütteln. Lange Zeit war eine Abneigung auch bei uns spürbar, bis plötzlich der Regisseur bekannt gegeben wurde. Mit Mike Flanagan sitzt einer der talentiertesten Handwerker des Genres unserer Zeit auf dem Regiestuhl der gerade mit seiner großartigen Serie „Haunting of Hill House“ zeigt, wie gut er es versteht Charakterentwicklungen mit Horror voranzutreiben, ohne dabei Jump-Scares oder stumpfe Ekelszenen zum Selbstzweck auszustellen.

Die Laufzeit von 152 Minuten im Kino wirkte bereits enorm, doch ließ diese Fassung etwas vermissen. Als ich im November aus dem Kino taumelte gefielen mir einige forsche Charakterentwicklungen und Stilkontraste nicht. Auch war das Empfinden gerade im Horror als zu zahm und bewusst reduziert wahrgenommen worden, dass sich eine herbe Enttäuschung in mir breit machte. Kurz danach wurde eine Directors Cut für das Heimkino angekündigt mit einer Länge von satten drei Stunden. Es gibt also 28 Minuten mehr in Doctor Sleep um die Fehler wieder gut zu machen und das Endergebnis ist gelinde gesagt eine echte Verblüffung.

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Doctor Sleep ist in seiner vom Regisseur präferierten Fassung schlichtweg großartig. Flanagan nutzt die erweiterten Szenen um das Trauma was Danny Torrance begleitet auszubauen und dem Gespann um Rose The Hat mehr Momente zu geben. Hinter Danny steckt ein gebrochener Junge nach den Ereignissen im Overlook Hotel. Innerlich vernarbt wird er von den Geistern geplagt und mutiert zum Alkoholiker. Nachdem er Obdach durch Billy Freeman findet und beginnt sein Leben umzukrempeln holen ihn die alten Geister wieder ein.

Dem Tempo von The Shining bleibt Doctor Sleep treu und erzählt in gemäßigtem Tempo eine Geschichte des Abschieds bei dem jeder Partei die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt wird. Seien es die die Leben nehmen um Leben zu können und in ihrer Ewigkeit auf der Erde nie mehr als ihre Gemeinschaft hatten oder die die Leben wollen und in ständiger Angst leben aufgrund ihrer Besonderheit. Dabei setzt sich Flanagan nicht sklavisch vor Kubrick, sondern hebt seinen Film ab vom Bodenständigen. Seien es Traumwelten, noch eruptivere Gewalt oder offensichtlichere Bedrohung.

Zu Beginn noch mit leisem Terror und beunruhigenden Schatten und Gestalten, zum Ende mit aggressivem Terror ohne dabei den Krankheiten des modernen Horror zum Opfer zu fallen. Jumpscares gibt es hier zwar auch vereinzelt, doch diese verkommen nie zur stumpfen Methodik um ein Einschlafen zu verhindern, sondern ergänzen den Spannungsaufbau zusätzlich. Viel interessanter sind jedoch die Dramaelemente die Doctor Sleep wie eine Charakterstudie wirken lassen und Emotionen und Handlungen nachvollziehbar machen. Ohne die großartigen Darsteller wäre das nicht möglich. Ewan McGregor ist die perfekte Wahl für den traumatisierten, fragilen Danny, Rebecca Ferguson als diabolische Antagonistin ist umwerfend und Kyliegh Curran eine potenzielle große Schauspielerin der nahen Zukunft.

Im Finale wird es etwas lauter und affektgeladener was im starken Kontrast zu den vorherigen Stunden steht doch funktioniert als letzte Rückbesinnung auf alte Geister wirklich famos. Durch den intensiven Aufbau der in der Kinofassung vermisst wurde, ergibt sich ein schmerzhafter Abgesang auf das Leben und setzt mit dem letzten Schlussakkord den perfekten Abschluss indem man sich seinen Geistern stellen muss. Ein zärtlicheres Endbild hätte es für diese umfangreiche und ehrenvolle (allein die Rekonstruktionen der alten Sets ist sind eine Augenweide) Fortsetzung gar nicht geben können. Stark!

Empfehlenswert für Halloween weil: Jeder, wirklich jeder, der drei Stunden Zeit hat, sich mit diesem feinfühligen und streckenweise wirklich spannenden und verstörenden Horrordrama auseinandersetzen sollte. Flanagan bietet genug Emotionen, gruselige Bilder und Charakterauseinandersetzungen, dass Doctor Sleep seinen Platz in der Horrorgeschichte finden wird, wie einst The Shining. Unbedingt im Directors Cut ansehen!

Doctor Sleep Poster

Regie: Mike Flanagan
Drehbuch: Stephen King, Mike Flanagan
Darsteller: Ewan McGregor, Rebecca Ferguson, Cliff Curtis, Kyliegh Curran, Emily Alyn Lind
Score Composer: The Newton Brothers
Cinematographer: Mike Fimognari
Altersfreigabe: 16
Lauflänge: 180 Minuten (DC)
Budget: 45.000.000$
Box-Office: 72.000.000$

Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©Warner Bros. Entertainment

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