Stellt euch folgende Situation vor. Ihr schlendert entspannt zum Multimedia-Kauf durch den Laden eures Vertrauens und stöbert in den Regalen der Neuerscheinungen. Euch erblickt ein wenig aufregendes Cover eines Filmes, der mit dem Titel Exorzismus 2.0 wie ein modernes Update des Horrorgenres, dass 1973 mit Der Exorzist geprägt wurde, für die Social Media Generation wirkt. Würdet ihr spontan euer Geld für diesen Film ausgeben, der nirgends Publicity bekommen hat? Damit kommen wir zu dem großen Problem im Direct to DVD Sektor. Während alle großen Blockbusterproduktion über das Kino hinaus für den Handel beworben werden, bleiben kleinere Filme auf der Strecke ungeachtet dessen Qualitäten. Dadurch kommt der Filmliebhaber leider auch zu oft nicht in den Genuss von durchaus sehenswerten Filmen, die natürlich im direkten Vergleich nicht an den Produktionswert von Kinofilmen herankommen.
Aber, und darin liegt der größte Unterschied, sie haben die Mut sich nicht an Zuschauererwartungen anzubiedern durch einen sklavischen Mantel der Fortsetzungen, Franchises und Vorgeschichten. Wozu erzähle ich euch das? Nun ja, hinter Exorzismus 2.0 versteckt sich ein Horrorfilm der im Original The Cleansing Hour heißt und ein recht sehenswerter Vertreter im Genre ist, von dem ihr bisher nichts gehört habt. Eventuell habt ihr nicht einmal mitbekommen, dass er seit dem 20.08 im Handel zu kaufen ist. Ein abgespecktes Budget merkt man zwar durchaus an allen Ecken und Kanten, aber die spaßige Prämisse und die konsequente Inszenierung sorgen für teuflische Unterhaltung, auch wenn das Cover mit einer YouTube-ähnlichen Gestaltung den Eindruck vermittelt, es würde sich hier um einen extrem günstigen Found Footage Film handeln. Ein billig gefilmter Schwindel spielt im Film eine tragende Rolle, doch nur im tragenden Gerüst der Handlung.
Max und Drew sind Freunde die mit Exorzismus-Livestreams im Internet ihr Geld verdienen und eine große Anhängerschaft von Fans haben. Was jedoch ein Großteil der Zuschauer nicht weiß ist, dass jegliche Art von Teufelsaustreibung in einem Studio inszeniert wird. Als eines Tages bei einer neuen Produktion die Protagonisten tatsächlich vom Teufel heimgesucht wird, bekommt der Lifestream eine ganz eigene Note. Zugegeben, vor Innovation strotz die Idee nicht, doch wie viele Herangehensweisen gab es seit William Friedkin schon an dämonische Besessenheit? Als Found-Footage Ermittlung in The Devil Inside, Teenie-Slasher in ExitUs, als düsterer Cop-Thriller in Erlöse uns von dem Bösen oder als Familiendrama in Possession. Die Variationen scheinen endlos, doch als Spoof-Livestream der sich dann in waschechtes Splatterkino entpuppt hatten wir ihn noch nie.
Dabei geht Exorzismus 2.0 den Weg einer herkömmlichen Inszenierung die mit Klischees und Stereotypen besetzt ist, doch entfesselt sich selbst mit einem Fokus auf Effekten und einem hohen Tempo. Charaktere abseits von Max und Drew sind Schall und Rauch und dienen lediglich als Kanonenfutter für die Gräueltaten. Wie bereits zu Beginn erwähnt liegt das Budget hier im unteren Bereich, was bei den digitalen Effekten zu sehen ist. Feueranimationen sehen bizarr aus, animierte Tiere wie aus einem Playstation 2 Spiel. Aber Regisseur Damien LeVeck hat eine ganze Menge Herzblut in seinen Film gesteckt. Die blutsudelnden Wunden, Verrenkungen von Gliedmaßen, deformierten Gesichter und die saftigen Mordszenen sind allesamt mit praktischer Arbeit realisiert und das merkt man. Wenn auch nie mit extremen Splatter, sondern mit einem Hauptaugenmerk auf derbe Action gibt es hier für Horrorfans jede Menge Schauwerte zu bestaunen. Noch dazu sieht die Optik keinesfalls nach einer günstigen Produktion aus.
Mit knappen 90 Minuten Laufzeit entstehen da nur wenige Durchhänger auch, wenn eine reduziertere Herangehensweise deutlich weniger Ballast verursacht hätte. Ein emotionaler Disput unter Freunden, der natürlich erst durch das Finale der Teufelsaustreibung das Licht der Welt erblickt und geklärt werden kann, diverse Rückblenden aus Kindheitszeiten die die emotionale Zerrüttung des Hauptcharakters offenlegen soll und eine Beichtstunde mit der der Schwindel des Teams an die Zuschauer preisgegeben werden muss, sind allesamt Handlungsstränge die den Wind aus den Segeln nehmen. Ohne diese altbekannte Verwendung von Dramatisierung wäre Exorzismus 2.0 ein echter Geheimtipp geworden.
So bleibt ein rasanter und harter Horrorfilm mit tollen Effekten und Masken, der genug Zündstoff mit sich bringt für einen unterhaltsamen Filmabend und am Ende doch für kleinere Überraschungen sorgt. Die Mixtur aus Horror und komödiantischen Elementen funktioniert dabei besser als erwartet, wobei sich der finale Twist selbst als so reißerischer überzeichneter Schwachsinn entpuppt, dass nur noch ein fettes Grinsen im Gesicht übrig bleibt. Und das werdet ihr nie erleben, wenn ihr nicht über euren Schatten springt und diese Blu-ray aus dem Handel mitnehmt. Auch wenn das Covermotiv so scheußlich ist. Exorzismus 2.0 pumpt frische Blut in die Adern des Horrorfilms.
Regie: Damien LeVeck
Drehbuch: Damien LeVeck, Aaron Horwitz
Darsteller: Ryan Guzman, Kyle Gallner, Alix Angelis
Score Composer: Julie Beavan, Sean Beavan
Cinematographer: Jean-Philippe Bernier
Altersfreigabe: 18
Lauflänge: 94 Minuten
Budget: Unbekannt
Box-Office: Unbekannt
Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©EuroVideo Medien