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Frankensteins Braut

von Robin Längert

Nachdem 1931 das Monster von Dr. Frankenstein die Kinosäle in Angst und Schrecken versetzt hat, wurde vier Jahre später eine Fortsetzung des Horrorfilms veröffentlicht. Wiedermal durfte Boris Karloff die Kreatur spielen, doch mit weitaus mehr emotionaler Freiheit als vorher.

Mary Shelley, die Autorin von dem Roman Frankenstein, sitzt mit ihrem Mann Percy und Lord Byron zusammen und diskutiert über ihr Buch. Abschweifend stellt sie sich vor, wie die Geschichte wohl fortgesetzt werden könnte: Frankensteins Monster ist auf der Flucht nach dem Showdown auf der Windmühle. Währenddessen ist bereits die nächste Schöpfung einer Kreatur in Planung. Frankensteins Braut steht kurz vor dem Erwachen.

Thematisch und zeitlich knüpft Frankensteins Braut unmittelbar an seinen Vorgänger an. Er wird sogar den Prinzipien einer Fortsetzung treu und vertieft viele Aspekte, statt sie lediglich zu verwerten und auszuschlachten. Damit schafft Regisseur James Whale von Beginn an einen sympathischen Film, der sich keineswegs zu kommerziell anfühlt. Ohnehin ist die doppelbödige Erzählstruktur mit Mary Shelley in der Eröffnungssequenz ein überraschend verspieltes Unterfangen, das bei einem 85 Jahre alten Horrorfilm wie diesen überaus unerwartet ist. Doch das Sequel hat sogar noch mehr zu bieten als seine filmischen Spielereien.

Wiederholt beobachten wir Frankensteins Kreatur als ein verkümmertes, hilfsbedürftiges Wesen. Es ist wieder einmal die Frage nach der Menschlichkeit – doch nicht die vom Monster, sondern vielmehr die der Gesellschaft. Das ist zwar nichts Neues, denn die gleiche Frage hatte bereits der erste Teil. Doch statt in die gleiche Falle zu tappen, entweicht die Fortsetzung jener. Schließlich hat diese Metapher und Frankensteins Monster als Aushängeschild ein großes Problem, denn wenn es als Parallele zu der Angst vor dem Fremden verstanden werden will, ist es gleichermaßen rassistisch. Das fremde Lebewesen ist hier naiver und unbeholfener als der beängstigte pauschalisierende Bürger. Das Handeln von Frankensteins Monster wirkt kurzdenkend und beschränkt. So wird zwar auch das Bürgertum beschrieben, doch immer um einige Schritte intelligenter. Dabei handelt der Horrorfilm nicht vom Fremden, sondern von uns selbst.

Frankensteins Braut kann man durchaus als rassistisch bezeichnen, wenn man ihn denn missverstehen möchte. Die Mittel sind auf jeden Fall vorhanden, um ihm Rassismus zu unterstellen. Doch damit macht man es sich zu einfach, zu kurz gedacht. Man würde leugnen, dass Frankensteins Monster der Spiegel ist, in den man hineinsieht, und kein Fremdkörper ist. Die Fotzsetzung nutzt alle Mittel, um das Monster endgültig als Identifikationsfigur zu inszenieren. Wir sind es, die in diese Welt hineingeboren werden und uns selbst von den aufgehetzten, vom Faschismus befangenen Monstern der Gesellschaft differenzieren zu müssen, die von außen allesamt menschlich aussehen. Frankensteins Braut ist in dieser Hinsicht auch ein Integrationsdrama. Nicht umsonst nutzt er seine ruhigen Momente, um die von der Gesellschaft ausgestoßenen miteinander friedlich leben zu lassen, ehe die Hetzjagd weitergeht.

Als krönenden Abschluss behält sich der Horrorfilm sein neues Monster bis zum bildhübschen Finale auf – und knüpft damit auf unvorhersehbare Weise bei seinem Intro mit Mary Shelley an. Denn Schauspielerin Elsa Lanchester spielt nicht nur die Romanautorin, sondern ebenfalls Frankensteins Braut. Sie ist es, die von Frankensteins Monster begehrt wird, wie ein Lebenselixier – ebenso wie die Romanfigur ihre Autorin braucht, um existieren zu können. Doch auch hier holt die Realität die Fantastik ein und deutet bitterböse und zynisch auf den Individualismus; dass das Monster auch neben einer weiblichen Neuschöpfung ein Monster bleibt und ebenso von ihr als jenes verstoßen wird. Eine große Tragik für einen großen Klassiker des Horrorkinos.

Dass das Schauspiel hin und wieder ins theatralische abschweift, sei einem 85 Jahre alten Film mit aller Liebe vergeben. Frankensteins Braut findet nämlich trotzdem die passenden Bilder für seine schaurig-schöne Gothic-Atmosphäre. Egal ob auf tricktechnischer oder inhaltlicher Ebene; die Fortsetzung von Frankenstein war seiner Zeit bei weitem voraus und hat zweifellos Maßstäbe gesetzt. Dieser Film gehört mit Sicherheit zu den ganz Großen seines Genres.

Empfehlenswert für Halloween, weil die kontrastreichen Schwarzweiß-Bilder und die detailverliebten Kulissen, Kostüme und Masken unverzichtbar für das Fest des Schreckens sind. Wer sich in diesem Film und seinen philosophischen Klängen wälzen möchte, hat alles richtig gemacht im Leben.

Regie: James Whale
Drehbuch: William Hurlbut
Produktion: Carl Laemmle jr.
Darsteller: Boris Karloff, Colin Clive, Elsa Lanchester
Altersfreigabe: ab 12
Laufzeit: 78 Minuten
Veröffentlichungsjahr: 1935
Budget: 397.000 USD
Box Office: 2 Mio. USD

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Universal Pictures.

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1 comment

Der Rabe (1935) | Inglourious Filmgeeks 1. November 2024 - 8:48

[…] Frankenstein-Darsteller Boris Karloff und Dracula-Darsteller Bela Lugosi bereits 1934 für Universal Pictures […]

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