Letztes Jahr zur selben Zeit erschien das Regiedebüt von Remi Weekes: His House. Auf dem Sundance Filmfestival hochgelobt und ein Dreivierteljahr später weltweit auf Netflix. Nun wird sich dieses Horror-Drama nochmal genau angeschaut.
Das Ehepaar Bol und Rial Majur flieht kriegsbedingt aus ihrer Heimat, dem Südsudan, und schaffen es bis nach Großbritannien, wo ihnen vorerst Asyl bewährt wird. In einem ihnen zugewiesen alten, heruntergekommenen Haus versucht das Paar einen Neuanfang. Doch das Grauen und die Angst lässt nicht von ihnen los. Denn etwas ist ihnen über die dunklen Tiefe der Meere hinweg bis zu ihrem neuen Zuhause gefolgt – etwas, das sie nun heimsucht…
Die Prämisse des Filmes verfügt über wunderbare Mittel für einen guten Horrorfilm. Das reale Drama und der reale Terror, den die beiden Protagonisten erleben und erleiden mussten, ist somit eine ideale Grundlage für all die Metapthern, die das Böse in und zwischen den modrigen Wänden des trostlosen Hauses darstellt. Somit werden dem Publikum bereits kafkaeske Bedingungen dargelegt: Sie dürfen nicht umziehen, dürfen nicht auffallen, müssen bei allem mitmachen, was die Ausländerbehörde von ihnen verlangt. Ansonsten müssen sie wieder zurück. Das alles fängt Regisseur Weekes in kalten, farbtristen Bildern auf, die die Erschöpfung seiner beiden Figuren, wie auch die Fremdartigkeit eines neuen Landes, einer neuen Heimat zielgerichtet widerspiegelt. Das alles hakt Weekes in einer runden, gelungenen Exposition ab bis sich das Grauen irgendwann andeutet.
Mit einem beeindruckenden Spiel von Schatten, Silhouetten und kaum erkennbaren Gesichtern wird der Zuschauer auf höchstmöglicher Qualitätsebeme terrorisiert. Gleichermaßen ist es auch die Soundkulisse, die mit ihrer zurückhaltenden Art umso eindringlicher und furchterregender ist. Dabei entstehen eine so nüchterne Schocks und passive, stille Jumpscares, dass es zutiefst erschüttert und beunruhigt. Erweitert wird dies durch Erklärungen mit afrikanischen Aberglauben, der das Schrecken auf perfide Art und Weise manifestiert. Authentische afrikanische Folklore wurde bedauernswerter Weise kaum repräsentativ in Horrorfilmen dargestellt. Und nein, Hollywood-Voodoo (Stichwort Puppen oder Zombies) abseits jeglicher Verbindung zur eigentlichen Inhalts- und Darstellungsform der Religion wird selbstverständlich nicht dazugezählt. Doch Weekes ist offensichtlich kein Tourist in der mythischen Narrativen seines Filmes. Seine Vertrautheit zeigt sich in der Authentizität der Abbildung und Formulierung jeglichen Schreckens, was eine bahnbrechende Wirkung auf die Atmosphäre des Filmes hat.
Weekes entfernt sich von der Realität, um in dämonischen, furchteinflößenden Bildern eindringliche Schocker erzielen zu können. Doch in seinem letzten Drittel weiß er eben auch eine andere Karte gut einsetzend ziehen zu können. Und somit erinnert uns die Geschichte an den realen Horror, den sich niemand wegdenken und ausreden kann. Es ist ein alter, simpler Taschenspielertrick, der mit dem besonderen Gespür einen tief gehenden Effekt haben kann. Ebendiesen hat His House. Und das setzt das Horror-Drama nicht auf eine zimperliche Art um. Vielmehr bleibt der Gesamteindruck des Filmes auf verschiedenen Ebenen verstörend und bleibt für seine Figuren, doch vor allem für das Publikum aussichtslos und erwürgend vor lauter Angst, Terror, Grausamkeit und Trauer. Denn letzten Endes kann es auch nur ein einziges Ehepaar sein, das von 40 Leuten im neuen Zuhause ankommt und trotzdem von der Finsternis verfolgt werden, die hinter ihnen lauert.
Empfehlenswert für Halloween, weil äußert eindringlicher Horror auf hohen Anspruch mit weitreichenden Inhalten trifft. Kein Film für Halloween-Partys. Viel mehr ein verstörendes Horror-Drama für das eigene kleine, einsame Kämmerchen. Auf Netflix verfügbar.
Drehbuch & Regie: Remi Weekes
Produktion: Aidan Elliott, Martin Gentles, Arnon Milchan, Ed King, Roy Lee
Darsteller: Wunmi Mosaku, Sope Dirisu, Matt Smith
Altersfreigabe: ungeprüft
Laufzeit: 93 Minuten
Verlöffentlichungsjahr: 2020
Budget: unbekannt
Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Netflix.