31 Days of Fright – Tag 25
Dieser Film hatte viele Namen. „The Rape And Revenge Of Jennifer Hills“ war einer davon und liest sich schon wie eine Versuchsbeschreibung dieses einfach strukturierten Machwerks. Auf längere Sicht konnte sich jedoch „Ich spuck auf dein Grab“ als Titel durchsetzen und vervollständigte seine fürchterliche Stimmung, die vom Niedergang der Zivilisation kündet. Für die oft vertrackte Exploitationkost der Siebziger ist „I Spit…“ in mehrerlei Hinsicht ungewöhnlich. Seine schlichte – gar unterkomplexe – Handlung lässt sich in zwei Blöcke aufteilen, die von einem erschütternden Schlüsselereignis getrennt sind – einer Vergewaltigung.
Jennifer Hills, Autorin und Städterin, bezieht für einen Sommer ein abgelegenes Haus in der Provinz, um ihren ersten Roman zu schreiben. Bei einem kurzen Aufenthalt an der örtlichen Tankstelle begegnet sie ihren künftigen Peinigern, treffen zwei Lebenswelten aufeinander. Die harmlosen aber penetranten Avancen eskalieren bald, und Jennifer ist den Männern in der Wildnis hilflos ausgeliefert. Jedenfalls bis zu ihrer Rache… Regisseur Meir Zarchi kondensiert allen Sleaze aus seinem Film. Keine Musik – nur gelegentlich bedrohliches Mundharmonikaspiel -, keine Romantisierung, kein Sensationalismus. Nur das Ereignis, mit dokumentarischer Wucht eingefangen, das von einer solchen Grausamkeit ist und ein Gefühl der Übelkeit verursacht, bis man nur noch will, dass alles schnell vorbeigeht. Aber diesen Gefallen tut uns Zarchi nicht. Wir müssen es ganze 25 Minuten ertragen.
Camille Keaton gibt eine der mutigsten Performances der Filmgeschichte, eine andere Bezeichnung wäre unwürdig. Eine solche Darstellung von Verletzung, Objektifizierung, Erniedrigung und Schändung auszuhalten, ist schier unglaublich. „I Spit…“ zeigt, wie sexuelle Gewalt in den kleinsten Linien gesellschaftlicher Interaktion steckt. Anfangs führt das zu suggestiver Beunruhigung. Man weiß, um was es hier geht, was geschehen wird, plötzlich ist alles konnotiert und weist voraus. Wer diesen Film misogyn schimpft, hat ihn sicher nicht über die Vergewaltigungsszene hinaus gesehen – wen wundert‘s, man schämt sich danach beinahe, ein Mann zu sein. Der Zuschauer tappt in die Falle, von der Frau eine gewisse „Vorsicht“ einzufordern. „Ich spuck auf dein Grab“ aber zeigt, dass es für sexuellen Missbrauch keinerlei Entschuldigungen gibt.
Aber die Frau soll das letzte Wort haben. Zarchi lässt sie mit harrender Stärke triumphieren; ein weiterer Verleihtitel dieses Films war „Day of the Woman“. Oh boy, das passt. Jennifer wird in ihrer Rache skrupellos sein. Sie ist keine wehrlose Frau. Sie ist eine, die den an David Hess erinnernden Tankwart kastriert und zum ausbluten im Badezimmer einsperrt, um dann eine Opernarie zu hören. Das ist ein echter feministischer Horrorfilm.
Empfehlenswert für Halloween, weil: „Ich spuck auf dein Grab“ ein trostloser Downer für den gut sortierten Sicko-Marathon ist. Nach ihm fühlt man sich wirklich schlecht. Und wenn sich solche Dilettanten wie Roger Ebert über einen Film so empören können, muss er ja etwas für sich haben.