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Jackie Brown

von Robin Längert

Quentin Tarantinos dritter Spielfilm ist eine detailverliebte Hommage an das bereits vergessene Blaxploitation – und sein verkanntestes Werk.

Kultregisseur Quentin Tarantino ist dafür geachtet sich stilistisch an popkulturelle Genres der sechziger und siebzieger Jahre zu orientieren. Dazu gehören bekanntlich Italowestern, Eastern oder auch actionreiche B-Movies. Eine Verbeugung vor dem Blaxploitationgenre erscheint jedoch äußerst unüblich. Des weiteren ist es für wenige ein Begriff, weshalb ein kleiner, cineastischer Wert des Filmes für viele ungekostet bleibt.

Jackie Brown ist in erster Linie ein äußerlich unscheinbarer Film, da seine gelassenen Dialoge und ausführlichen Szenarien eine gewisse Langatmigkeit bewirken. Doch besonders dieses Mittel nutzt er, um seine Komplexität auszukosten. Charaktere, Motive, Erzählstrukturen – all das verarbeitet Tarantino in seiner Adaption des Romans Rum Punch von Elmore Leonard mit einem verblüffenden Gleichgewicht. Allein zu Beginn, wo Samuel L. Jacksons Charakter Ordell dem frisch entlassenden Ex-Insassen Louis sein Wissen über Schussfeuerwaffen repräsentiert, wird die gezielte Bildsprache unverkennbar: Melanie, gespielt von Bridget Fonda, kommt bewusst mit ihren Zähen gegen das auf dem Tisch stehende Glas von Louis, woraufhin dieser es mit einem leicht provozierten Ausdruck in die Hand nimmt. Ein als Beispiel benutztes Verhältnis zweier Charaktere, das sich im Laufe des Filmes kontinuierlich zuspitzt. Eine solche Steigung, sei es auch hinsichtlich der Intensität oder erzählerischen Komplexität, spiegelt sich in deren genialen Timings und der kontrollierten Narrativität wieder – um nun schließlich zurück auf das grandiose Gleichgewicht zu kommen. Zwar beinhalten die anderen Werke von Tarantino ebenfalls eine sorgfältige Struktur, doch fällt bei Jackie Brown, auch aufgrund seiner linearen Erzählung, besonders die standfeste Sicherheit des Drehbuches auf.

Unterhaltend ist Jackie Brown allemal, nicht zuletzt wegen seiner funktionierenden Komik und den genialen Wortwechseln: Das letzte Drittel spielt im Stil von Heist-Movies mit den Motiven jedes Charakters, in der die Handlung selbst ihren vorfinalen Höhepunkt erreicht. Das Feingefühl für den Umgang mit den verworrenen Charakter- und Storykonstruktionen wird in diesem Akt unter subtiler Spannung besonders deutlich. Dabei finden gesellschaftskritische Reflexionen und bedeutungsvolle Elemente des Blaxploitations einen wichtigen Platz inmitten der Caper-Story und füllen dabei die charakterstarke Substanzialität des Filmes.

Die narrative Ausgewogenheit und stilsichere Komplexität sind wichtige Bestandteile des meisterhaften Endproduktes. Übertrumpfen tun dies nur noch die buntgemischten, fantastisch besetzten Charaktere (allen voran Robert De Niro als Louis), die dem dialogfreudigen Drehbuch grandiose Folge leisten. Nebenbei ist die spezielle Chemie zwischen Soundtrack und Dramaturgie eine außergewöhnliche Klasse für sich. Quentin Tarantinos Jackie Brown ist eine wahre Perle, die den Wert des Kinos und der erzählerischen Leidenschaft vollkommen auskostet. Zu schade nur, dass dieser Wert oft verkannt wird.

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Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Studiocanal.

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