Das Coming of Age Subgenre bietet Regisseuren immer wieder die Möglichkeit, herzerwärmende und mutige Geschichten zu erzählen, in denen junge Menschen die Schwelle zum Erwachsenwerden durch deren Handlungen überschreiten. Doch genau so gut kann man den Spieß umdrehen, nicht als Erzählung über das Erwachsenwerden oder über das Reifen der eigenen Entscheidungsfähigkeit, sondern als brachialer Blick in die Psyche, die durchdreht wenn man vergebens meint, sich selbst gefunden zu haben. Und da ist Lords of Chaos rücksichtslos.
Es beginnt mit einer Hinweistafeln, dass Jonas Ackerlands Film auf Wahrheiten und Lügen basiert, die im Laufe der Jahre über die berüchtigten Black Metal Morde von Norwegen gestellt wurden. Direkt danach folgt eine Warnung vor den grafischen Gewaltakten die im Film zu sehen sind und das ist keineswegs ein leeres Versprechen. Lords of Chaos beinhaltet einen äußerst grafischen Suizid und diverse andere Gewaltszenen, die im Kontext des Filmes genau da treffen wo es weh tut.
Doch es geht hier keineswegs um reine Schockwirkung oder Selbstzweck. All das wird eingebettet in eine feinfühlige Coming of Age Geschichte um Macht, Egoismus und Arroganz, doch im Kern weiterhin um Freundschaft. Und das geschieht keinesfalls auf plakative Weise. Akerlund hat hier, ganz im Gegensatz zum furchtbar schlechten Polar, das nötige Feingefühl um mit seinen Charakteren respektvoll umzugehen und seinen Film, trotz Warntafeln zu Beginn, nicht nur auf bloßen Schock zu richten. Die Isolation der Gruppe, die Verzweiflung werden immer deutlicher, während alles aussichtslos auf die große Eskalation hindriftet.
Und da beginnt Lords of Chaos ein enorm schwieriger Film zu werden. Denn die letzten 10 Minuten sind wirklich so grausam und unerträglich, dass man sich einreden muss, hier nur einen Film zu sehen und nicht den echten Mord. Ein Schleudertrauma durch Metalmusik gewürzt mit Ekel sind die Punkte, die diesen Film am besten beschreiben. So sollte erfrischende Coming of Age mit Horrorallüren aussehen. Damit reiht sich Lords of Chaos zweifellos mit zu dem grandios guten Super Dark Times ein, der sich ähnlich düster im Jahr 2017 an dieses Subgenre wagte.
Nach einer kurzen Gewöhnungszeit an Akerlunds Clip-Ästhetik und einem recht ruhigen Start setzt Lords of Chaos Grenzen. Am perfidesten wird es, wenn er unterschwellig rabenschwarzen Humor mit ins Geschehen bindet um die Schockwirkung durch den plötzlichen Einsatz von Gewalt noch zu steigern. Denn in seinen vorgewarnten Momenten packt er uns am Hals und würgt uns, bis wir nur noch bettelnd abwarten, dass der Abspann einsetzt. Abschließend noch: Gebt Rory Culkin für diese Rolle alle Preise der Welt!
I’m Euronymous, founder of Mayhem, the most infamous Black Metal band in the world. I had my own record store. I had my own record label. I created a whole new musical genre, true Norwegian Black Metal, and I created Mayhem. What the fuck have you done lately? Poser.
Lords of Chaos Script by Dennis Magnusson & Jonas Åkerlund
Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©Studio Hamburg Enterprises