MadS

von Sean Theumer

Herzlichen Willkommen in der neuen Welle der französischen Härte. MadS eröffnet eine frische Perspektive auf das angestaubte Zombiegenre und vermengt allerhand europäische Einflüsse in einen einzigen Take. Richtig gehört, ein einziger Take ohne versteckte Schnitte über knapp mehr als 80 Minuten. Was schnell zu einer technischen Fingerübung werden kann oder ästhetischer Blendung von narrativer Einfältigkeit und alten Motiven funktioniert hier formal wie auch inhaltlich als einziger Rausch.

Erst Freitag dem 18.10 auf Shudder erschienen sorgt MadS zumindest in Amerika für erste Furore. Romain testet eine neue Droge bei seinem Dealer und begibt sich dann mit dem Auto auf den Weg nach Hause, weil er abends mit Freunden auf eine Party will. Auf der Fahrt liest er jedoch eine verletzte Frau die ihn erst beißt und dann selbst ersticht. Sein Körper scheint sich zu verändern je weiter die Nacht voranschreitet. Was dann ab nach der ersten Hälfte losbricht, ist reiner filmischer Wahnsinn.

Stellt euch einen Horrorfilm vor, der durch seine Szenarien mit dem Druck und Intensität eines Good Time der Safdie Brüder stampft, visuelle überfordernde Partyszenen wie in Climax abfeuert, den semidokumentarischen Stil von Cloverfield visuell nutzt, Evil Dead in seinem Gore verehrt und Irreversible auch noch in einer Unterführung zitiert ohne dessen drastischen Gewaltakt darzustellen. Wenn euch das komplett abholt, dann wird MadS ein gefundenes Fressen für euch sein. Wie sich die Spirale immer weiter zuzieht und die Anspannung in den letzten 45 Minuten einem einzigen chaotischen Amoklauf gleich, wird durch die Inszenierung begünstigt. Natürlich verliert sich der Film immer mal wieder in etwas Leerlauf, aber das Gimmick fühlt sich so organisch an, dass man zwischenzeitig vergisst einen One-Take zu sehen.

Wenn die Kamera von den Straßen plötzlich in Front eines Motorrollers positioniert ist, mit den Charakteren fährt, um dann nahtlos einem Charakter weiter zu folgen, kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. Gut, die Raffinesse von Emmanuel Lubezki fehlt, hier ähnelt alles einem einzigen Rausch. Das mutiert in der letzten halben Stunde zu einem erstaunlich drastischen Gemisch aus Fleisch, Körperflüssigkeiten, Bewegung und Splatter und endet mit einer tollen Note. Interessanter wird es dann noch wenn man den Film auf die Partyszene und Großstadt deutet, wenn aus Freunden nach chemischen Substanzen nur noch fleischige, sich auffressende Hüllen bleiben. Aber fehlerfrei ist MadS natürlich nicht. Im Gegenteil, es gibt viel was nicht gefallen kann.

Die Übersicht ist manchmal miserabel, kommt der Stimmung aber zu Gute. Dass sich entschieden wurde einen digitalen Filter über die Bilder zu hauen, dass alles verrauscht wie 102000er ISO aussieht versteht man nicht. Die Charaktere sind allesamt unsympathisch und der Ursprung der gesamte Eskalation wird nur mit einer Kassette im Groben erklärt. Die reine Liebe zur Eskalation und das schwindelerregende Tempo haben bei mir jedoch so gut funktioniert, dass ich darüber hinwegsehe. Die Liebe zum Genrekino, die frischen Ideen und das Gespür für Intensität sorgen für 80 Minuten Hochspannung. Macht einfach richtig Bock. Punkt.

Empfehlenswert für Halloween weil: ihr wahrscheinlich bis heute nichts von MadS gehört habt und euch ein filmisch intensiver Rausch erwartet, der weit über seinem beeindruckenden technischen Gimmick steht. Ein beklemmender, blutiger und kinetischer Zombiefilm, der zwar von manchen unserer Leser*innen die Einnahme von Reisetabletten einfordert, aber mit einem absolut einmaligen Filmerlebnis belohnt. Hoffentlich auch bald in Deutschland!

Die Bildrechte obliegen ©Shudder

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