"Do you want to live in a world where everybody feels cozy and validated all the time, or do you want to live in a world that works?"
Mile 22, der Publikum- und Kritikerhassfilm des Sommers 2018. Verabscheut aufgrund seiner dünnen nichtssagenden Geschichte, seinem ekelhaft unübersichtlichen Stakkato-Schnittes und einem Ende, das in vielen Kreisen als unwürdige Frechheit abgetan wurde. Ein Film so eigenwillig, dass er keine Liebe verdient hat. Eine Bankrotterklärung an das Duo Berg/Wahlberg, das mit Patriots Day und Deepwater Horizon absolut packende Thriller abgeliefert hat. Fickt euch einfach.
So würde es James Silva, der Hauptcharakter aus Mile 22, direkt ins Gesicht sagen. Wütend, mit knallendem Gummiband an seinem Handgelenk um euch vor Aggression nicht direkt ins Gesicht zu schießen. Eine gescheiterte Existenz mit frühem Familienverlust und angeborenem Autismus. Ein Charakter so unsympathisch, dass man würgen möchte wenn er jeden anderen Charakter provoziert, beleidigt und unter psychischem Druck aussetzt. Eine unberechenbare, manipulierte Killermaschine die in ständigen Monologen das Geschehen unterbricht und sich komplett konträr bezüglich des gängigen Militär und Patriotismusthemas in einem Kreuzverhör äußert.
Das macht es dem Zuschauer schwer eine Identifikationsfigur zu finden, doch gerade aufgrund dieser Transparenz funktioniert Mile 22 als Actionfilm umso mehr. Denn was an Emotion und Empfinden gegenüber der Overwatch-Leute auf der Strecke bleibt, macht die Action wieder wett. Peter Berg hat bewiesen wie fähig er ist Gefechte zu inszenieren und tut das auch hier wieder. Dabei spielt der desorientierende harter Stakkato-Schnitt sein übriges. Hier handelt es sich um einen wütenden, beinharten und bulligen Film, so wütend, dass er Schaum vorm Mund trägt. Eh unsere Gehirnrezeptoren verarbeiten konnten was auf dem Bildschirm gezeigt wurde, springt Mile 22 direkt in die nächste Einstellung.
Das wirkt irritierend und mit Sicherheit komplett schwindelerregend für die gesamten 90 Minuten, doch ist es die letzte Ergänzung zur vollkommenen Beschreibung des Gemütszustandes von Peter Bergs neuem Film. Mile 22 beginnt mit einer Schlüsseloperation, die taktisch ausgeführt wird und die ersten zehn Minuten füllt. Direkt danach folgt der Vorspann, der bereits alles über die Charaktere sagt. Auch wenn sich hier keine Echtzeit abspielt, raubt das keinesfalls Kinetik. Bevor der Transport von Li Noor beginnt, darf sich Iko Uwais in einem Krankenhauszimmer mit zwei Bad Guys schlagen. Und auch wenn das deutlich hektischer geschnitten ist als in The Raid, Headshot oder The Night Comes For Us stellt es den rabiaten und ruppigen Auftakt der letzten Finalhälfte dar.
Ab dort wird pausenlos geschossen und gestorben mit einer Inszenierung die Paul Greengrass im letzten Bourne Film verlernt hat. Verfolgungsjagden zwischen Auto und Motorrad, ein Street-Shootout, ein Showdown in einem Wohnhaus. Berg weiß wie er seine Aktionen montieren muss um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Und tatsächlich darf man das erste Mal wieder durchatmen, wenn der komplett verschrieene Twist seine Pforten öffnet. Dieser ist aber so karikierter Schwachsinn, dass er in dem ohnehin schon kritisch beäugten Spiel der Täuschungen und doppelten Identitäten sein abschließendes Urteil fällt. Ein verrückter Mörder mit Waffe, der aussieht wie ein Held.
Sicher, für diesen extremen Schnitt braucht man die richtige Stimmung. Für die explizite Gewalt das Verständnis. Für die unsympathischen Charaktere sollte man selbst ein engstirniges Gesicht ziehen. Aber Mile 22 ist knapp 90 minütiges, wütendes und zugleich kritisch rabiates Actionkino, dass in dieser brechreizerregenden visuellen Formvollendung selten auf den Zuschauer losgelassen wird. Peter Berg wollte eine eine Trilogie machen. Der finanzielle Erfolg blieb aus. Doch solch ruppige Actionfilme gibt es in der heutigen Filmwelt viel zu selten. Fortsetzung erwünscht!
Regie: Peter Berg
Drehbuch: Graham Roland, Lea Carpenter
Darsteller: Mark Wahlberg, IkoUwais, Lauren Cohan, John Malkovich, Ronda Rousey, Carlo Alban
Score Composer: Jeff Russo
Cinematographer: Jacques Jouffret
Altersfreigabe: 16
Lauflänge: 94 Minuten
Budget: 50 Millionen $
Box-Office: 66 Million $
Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©LeoNine