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Erbarmungslos

von Sean Theumer

Clint Eastwood Retrospektive #16

Es hat 15 Filme beziehungsweise 21 Jahre gebraucht, bis Clint Eastwood sein erstes Meisterwerk geschaffen hat. 1964 wurde er durch Sergio Leone im Western berühmt, macht mit Pale Rider und Der Texaner ebenfalls Regiearbeiten in diesem Genre und wollte sich mit „Erbarmungslos“ vom Western verabschieden. Doch mit Erbarmungslos geht er auf gängigen Strukturen, die zunehmend entmystifiziert werden.

Vorbei ist die Erlösung durch Gewalt, die waffenvernarrten Revolvernarren durchstreifen nicht mehr wutgetränkt das Land um Vergebung in ausgeübter Rache zu finden. Erbarmungslos ist ein düsterer und pessimistischer Film geworden, der entschleunigt inszeniert ist und mit seiner Brutalität erschüttert. Der ehemalige Kopfgeldjäger Bill lebt mit seinen zwei Kindern auf einer abgeschiedenen Farm. Die Schweinepest holt sein Gut ein, das Alter liegt ihm schwer in den Knochen. Er ist müde vom Leben geworden, kaum noch fähig eine Flasche aus zwei Metern zu treffen und auch das Aufsteigen eines Pferdes wird zur schmerzhaften Tortur. Als er jedoch von einem Vorfall in der Stadt Big Whiskey hört, bei dem einer Prostituierten von einem Freier mit einem Messer ins Gesicht gestochen wurde, mobilisiert er sich ein letztes Mal. Der, oder besser gesagt die Täter werden jedoch nicht gehängt, da sich der korrupte Sheriff der Stadt bestechen lässt. Er verbündet sich auf seinem Wege mit Ned, ein ebenfalls alt gewordener Killer, und beide treffen auf einen jungen Kurzsichtigen namens English Bob. Sie wollen die Gerechtigkeit für die Prostituierte, doch geraten dabei auch ins Visier des Sheriffs, da beide Täter für ihn arbeiten.

Erbarmungslos

Dabei ist es interessant wie abstoßend Clint Eastwood die Gewalt inszeniert. Erbarmungslos ist so actionreduziert wie möglich und auch die Gewaltanwendung wird dem Genre konterkariert. Ist es normalerweise so, dass Gewalt zur Gerechtigkeit führt, ergibt sie sich hier als einzige Möglichkeit der Gerechtigkeit auch gerecht zu werden. Dabei reflektiert er gleichzeitig die Gewalt im Genre des Westerns. Ein Sheriff der Gewalt der Gewalt wegen anwendet und ein Mann der Gewalt der Gewalt wegen anwendet, machen diese einfach grundlos. Kleiner Spoiler: In einer Schlüsselszene nachdem der Junge einen der beiden Täter erschossen hat, sitzt er zusammen mit Bill an einem Baum und beginnt zu erzählen, ob das wirklich der wilde Westen sei von dem immer alle reden. Schießwütige Banditen, Verfolgungsjagden und Gerechtigkeit. Dabei beginnt er zu weinen und beichtet, dass er nie die fünf Menschen getötet hat, so wie er es verkündet hat. In dieser Szene schnürrt sich die Kehle zu, denn es lässt uns über das Gesamte Genre nachdenken. Erbarmungslos ist ein pessimistischer und dunkler Alptraum, ein rauer und harter Spät-Western nachdem man eigentlich keine Western mehr drehen müsste. Ein unfassbar guter Cast, allen voran Gene Hackman als diabolischer Sheriff, brillieren in einem ebenfalls unfassbar gutem Drehbuch und lassen diesen Film zu einem wirklichen Meisterwerk werden! Diese 130 Minuten sind niederschmetternd und so schonungslos konsequent, dass man erst einmal zur Ruhe kommen muss.

In dieser Geschichte gibt es keine Helden. Alle Charaktere sind vom Leben gezeichnet und wollen sich eigentlich nur zur Ruhe setzen, aber die wird es bis zum bitteren Ende nicht geben. Doch Erbarmungslos wächst über die Sichtung hinaus. Immer wieder diskutiert man mit sich selbst, welche Lösung für diesen Konflikt wohl die Beste gewesen wäre und ob es überhaupt einen Ansatz der gewaltlosen Konfliktlösung gibt. Doch nein, das ist der wilde Westen. Wo besoffene Waffennarren auf unzüchtige Banditen treffen. Wo du dich der Konsequenzen deiner Taten bewusst sein musst und vor sabbernden Kopfgeldjägern flüchten wirst. Wo der Tag nur erträglich ist, solange das Whiskeyglas an den Lippen klebt und sich endlich eine Möglichkeit ergibt, Kugeln aus dem Pistolenlauf zu feuern.

„Erinnerst du dich? Ich habe einen Viehtreiber mal in den Mund geschossen, seine Zähne kamen zum Hinterkopf raus. Ich denke ab und zu an ihn. Ich habe gar keinen Grund gehabt, ihn zu erschießen. Als ich wieder nüchtern wurde, fiel mir jedenfalls keiner ein.“

Erbarmungslos Poster

Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©Warner Bros.

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