Clint Eastwood-Retrospektive #1
Bevor er ein alternder Revolverheld, ein Boxtrainer oder ein mürrischer Witwer mit einem blankpoliertem Gran Torino war, legte er mit tiefster Gelassenheit Jazzmusik für seinen Radiosender auf. Clint Eastwood, der hier erstmals hinter der Kamera Platz einnahm, stieg mit Play Misty For Me bzw. Sadistico – Wunschkonzert für einen Toten in seinen großen Karrierelauf als einer der besten Regisseure des klassischen Erzählkinos ein. Aller Anfang ist jedoch schwer.
Das Regiedebüt der Westernlegende ist ein in San Francisco platzierter Thriller über den Radio-DJ Dave Garver, der einer Unbekannten jeden Abend ihren telefonischen Wunsch erfüllt und den Song Misty für sie auflegt. Getrieben von der nächtlichen Ruhe während der Spätschichten beim Jazz-Sender, soll diese Gelassenheit im Laufe des Filmes an Spannung gewinnen. Eastwood schafft es schon hier, seinen markanten, subtilen Stil auszuüben und verfolgt das Schicksal seines von ihm dargestellten Protagonisten mit kühler Distanz.
Seine sommerlich-hitzige Verpackung ist eine gelungen kontrastierende Atmosphäre zum unbehaglichen Erzählstil. Unbehaglich darum, da das Gefühl von Isolation und Einsamkeit auf sonderbare Weise schwankt. Grund dafür ist die Identifikation mit der Hauptfigur Dave, der der beeindruckenden Innenarchitektur seines Hauses eine Form der Bedeutungslosigkeit in seinem Leben verleiht. Die Misty-Hörerin Evelyn bietet wiederum das absolute Gegenstück von ihm und zeigt sich als Person, die an keinerlei Materialität hängt – außer letztlich an Dave. Das darauffolgende Psychospiel von personeller Abhängigkeit, Toleranzentwicklungen (in diesem Sinne sogar zweideutig, nehme man die verändernde Toleranz von Dave und die zeitlich zunehmende Beanspruchung seitens Evelyn) und Abneigung nähern sich perfekt geskriptet in spiralförmiger Abtastung.
Leider scheitert jedoch diese von Hitchcocks Vertigo inspirierte Vision. Es liegt aber nicht vollends an dem Skript, welches zwar zum Ende hin zu standarthaften Mitteln greift, dennoch psychologisch viel Tiefe erweist. Die eine Schuld trägt die von Jessica Walter gespielte Evelyn, die kein Händchen für Authentizität hat. Ihre Darstellung kreiert keine Illusion eines Charakters, der nach ihrem Interesse handelt, da ihr Schauspiel zu überladen und damit unglaubwürdig ist. Die andere Seite der Schuld trägt Eastwood selbst, dessen Inszenierung nicht ausführlich genug die inhaltlichen Stärken und Bedeutungen herausarbeitet. Zudem ist es in offensiven Spannungsmomenten bemerkbar, dass Play Misty For Me seine erste Praxisarbeit als Regisseur ist. Unangenehm gescheitert ist das Endprodukt trotzdem nicht, da das jazzuntermalte San Francisco und die inhaltlichen Ansätze ihren Wert noch tragen.
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