Noch bevor der spanische Regisseur Alejandro Amenábar mit The Others eines der besten Mystery-Dramen der Gegenwart schuf, widmete er sich in seinem Heimatland dem psychologischen Thriller: Öffne die Augen (alternativ auch Open Your Eyes oder Abre los ojos) war 1997 ein weltweiter Erfolg, der vier Jahre Später das US-amerikanische Remake Vanilla Sky, mit Tom Cruise in der Hauptrolle, mit sich brachte. Für beide Filmen übernahm Penélope Cruz die Rolle der Sofia, die Flamme des Protagonisten. Ebenso sind beide Spielfilme inhaltlich und vom Ablauf her identisch. Trotz alledem sollte der Fokus vorerst auf das Original gelegt werden.
Öffne die Augen erzählt von dem Playboy César (Eduardo Noriega), der dank seines Vaters finanzielle Freiheit genießt. Zu seiner Geburtstagsparty bringt sein bester Freund Pelayo (Fele Martínez) die bildhübsche Sofía als Begleitung mit. César verliebt sich in sie – und findet sich kurze Zeit in einer psychiatrischen Anstalt wieder, maskiert mit einer seinem Gesicht ähnelnder Prothese, wegen Mord angeklagt. In Form von objektiven, wie auch subjektiven Erzählungen wird der Abgrund aller Zustände um César herum erforscht.
Amenábar macht zu Beginn kein Geheimnis aus seiner verwirrenden Erzählart, die Traum und Realität schwer unterscheiden lässt. Doch statt hektische Überschneidungen lässt er sich viel Zeit für die Gefühlswelt des Protagonisten. Diese braucht César auch, denn sein Charakter ist alles andere als glatt und empathisch gezeichnet. Umso interessanter ist der Identifikationsaufbau des Zuschauers, der erst auf alle erdenklichen Auswege hofft, wenn es bereits zu spät scheint. Das ist nicht nur ein dramaturgischer Kliff, sondern stimmt zudem vollends mit seiner Charakterentwicklung überein.
Wie auch in The Others geht es um die Fragilität des Lebens, das sich in der Illusion von Sicherheit einhüllt. Césars Lebensstil und Glücksgefühl ist stark abhängig von seinem Aussehen. Selbst Pelayo wünscht sich auszusehen wie er, um gleichermaßen erfolgreich bei den Frauen zu sein. Somit steckt hinter dem komplexen Erzählkonstrukt die simple Aussage, dass innere Werte bedeutsamer sind. Das klingt zwar nach einem klassischen Nolan-Blender, doch hat Amenábar im Vergleich zum britischen Regisseur das Thema verstanden. Denn bei ihm ist der Traum nicht greifbar, nicht begrenzt und vor allem nicht schlüssig. Oder wie es Ulrich Behrens perfekt beschrieben hat:
Amenábar taucht sein Publikum in eine unsichere Welt, in der es selbst lebt. Und er entlässt es ebenso unsicher mit der vagen Hoffnung, alles könne nur der Alpdruck, Horror im Traum gewesen sein. Was allerdings heißt ‚alles‘? Der Unfall, Sofia? Der Psychiater? Die Firma ‚Life Extension‘? Der Kommissar? Der Freund? Nuria? Was davon war Traum und was Wirklichkeit? Und so zeigt Amenábar eben auch, wie Kino manipulieren kann und im Unsicheren hinterlässt, was doch ‚klar zu sehen‘ ist. Unsere Bilder geraten in einer Welt ins Wanken, in der wir kontinuierlich von Sicherheit träumen, ohne sie zu haben und besitzen zu können, in der wir ständig festhalten wollen, was uns lieb und teuer ist, ohne es fixieren zu können.
Wer dieses Meisterstück des psychologischen Thriller-Genres noch immer nicht gesehen hat, sollte dies umgehend tun. Denn bei Amenábar handelt es sich zweifellos um einen der ganz Großen des spanischen Kinos. Hoffen wir, dass sein fürs kommende Jahr angesetzter Spielfilm Mientras dure la guerra wieder gleichermaßen begeistern kann.
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