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Once Upon a Time in Hollywood

von Robin Längert

Nachdem Quentin Tarantinos neuster Spielfilm Once Upon a Time in Hollywood selbst am dritten Wochenende die deutschen Kinocharts regierte, müssen auch wir uns endlich zu Wort melden zu seinem polarisierenden Ausnahme-Blockbuster.

Kultregisseur Tarantino hat allerspätestens seit Kill Bill seine feste Anhängerschaft gefunden, wie sie bei aktuellen Regisseuren sonst nur mit Christopher Nolan vergleichbar ist. Doch seine Werke werden selbst unter Fans sehr unterschiedlich aufgenommen. Für mich persönlich zählen zum Beispiel Pulp Fiction und Jackie Brown zu seinen zwei mit Abstand besten Filmen, während ich einiges an Django Unchained auszusetzen habe und ich Kill Bill – Vol. 1 streckenweise anstrengend, pubertär, banal und langweilig finde. Doch sein offiziell neunter Kinofilm könnte unter den Fittichen eines Tarantinos interessanter nicht klingen (Pulp Fiction-ähnliches Werk, Hollywood der 60er Jahre, Charles Manson und Sharon Tate, DiCaprio und Brad Pitt). Und trotz dieses Potentials (oder vielleicht gerade wegen dieses Potentials) ließ Tarantino viele Erwartungen hinter sich und beschert uns stattdessen mit einer radikalen Eigensinnigkeit, die keine Rücksicht auf den Mainstream nimmt.

Gemeinsam mit dem Schauspieler Rick Dalton, seinem Stuntdouble Cliff Booth und dem Shooting Star Sharon Tate erleben wir drei Tage im Hollywood des Jahres 1969. Ein verwirrtes Hollywood, das geprägt ist von der Auflösung des klassischen Studiosystems, der Hippiebewegung und den politischen Gräueltaten des vergangenen Jahrzehnts. Inmitten diesen Zeiten des Aufruhrs versucht Rick seine Existenz als Schauspieler zu bewahren, während sein bester Freund und Kollege Cliff sich um alle Kleinigkeiten rund um Ricks Leben kümmert. In dieser Hinsicht ist Once Upon a Time in Hollywood Tarantinos ultimativer Buddymovie – mehr als Pulp Fiction und erst recht mehr als Django Unchained. Und eben von jener Freundschaft und von dem Zeitgeist dieses Jahres, den man während Tates luftigem Alltag atmet, lebt sein aktueller Film.

Viele sind enttäuscht von der mangelnden bis fehlenden Handlung des Filmes. Das mag zwar verständlich sein, doch ist Once Upon a Time in gewisser Weise nichts anderes als ein vollkommen typischer, aber linear erzählter Tarantino-Film. Demnach reiht er sich wunderbar neben den besten Hangout-Filmen aller Zeiten ein, in denen ein definierter Plot genauso unwichtig ist, wie er im wahren Leben unwahrscheinlich scheint. Stattdessen dominieren Situationskomik, 60s-Vibes und unbedeutende, doch nie uninteressante Dialoge. Und nicht nur das: Noch dominierender als alles andere ist ein gewisser Brad Pitt in dieser luftig-harten Komödie. Lange hat er sich nicht mehr einer solchen Leinwandpräsenz wie hier bedient, durch die er in geradezu jeder ikonischen Szene die Oberhand hat – sei es gegenüber Bruce Lee, auf der Spawn Ranch (mit verneigendem Texas Chainsaw Massacre-Flair) oder im dekonstruierenden Finale, welches mitsamt der Psychodelic Rock-Version von You Keep Me Hangin‘ On eines der großartigsten Momente in der Filmografie des Regisseurs darstellt.

Jene Enttäuschungen sind wohlmöglich auch dann verständlich, wenn gewisse historische Vorkenntnisse fehlen. Sind grobe Details über den damaligen Mord an der hochschwangeren Sharon Tate und drei ihrer Freunde durch vier Mason-Jünger nicht bekannt, so ist ein Gefühl der Leere während und nach dem Film überhaupt kein Wunder. Gerade weil Margot Robbie ihre Figur mit wenig Text und viel unbedeutendem Alltag darstellt, fehlt bei mangelndem Hintergrundwissen der bittere, notwendige Ton bei ihren Szenen. Doch das sei nur eine liebgemeinte Vorwarnung an alle Zuschauer, die davon betroffen sind.

Letztendlich ist Once Upon a Time in Hollywood alles andere als ein gefallenssüchtiger Tarantino, wie man es sonst des Öfteren von ihm kennt. Sein neuntes Werk ist mit Jackie Brown nicht nur sein ruhigster und erwachsenster Film, sondern auch sein sensibelster und vielleicht ehrlichster. Schließlich glaubt Tarantino so sehr an die Kraft des Kinos, dass er sich letztlich für einen zwar unerwarteten, aber vollkommen ergänzenden Schlusston entschieden hat. Das mag überraschend melancholisch und schwelgerisch sein, doch ist es vor allem zutiefst human. Und mit einer solchen, coolness-verweigernden Haltung (damit ist nicht das Finale, sondern das Ende gemeint), wie sie bereits The Hateful Eight grandioser Weise hatte, rechnet wohl niemand.

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Sony.

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