Netflix lädt erneut ein zu einer Eigenproduktion. Nach The Old Guard wieder mit einem Actionfilm, der mit ordentlicher Prominenz locken darf. Neben Jamie Foxx sieht man endlich wieder mal Joseph Gordon Levitt in einem Film, der mit einer doch recht spannenden Prämisse aufwartet. Doch viel zu oft schon haben die Eigengewächse vom Streaminganbieter bei uns einen faden Beigeschmack hinterlassen, da der Großteil des Outputs so wirkte, als gäbe es keinerlei Qualitätskontrolle in der Endabnahme. Wo reiht sich Project Power da ein?
Eine Pille die für fünf Minuten Superkräfte verleiht. Die Gefahr dabei besteht jedoch wie bei jeder Droge, ob der Konsument einen guten oder schlechten Trip erwischt. Im besten Falle wird man unverwundbar, in seinen sportlichen Leistungen unbesiegbar. Im schlimmsten Fall jedoch bringt dich diese Droge um weil du in Flammen aufgehst oder explodierst. Welche Charaktermotivation steckt hinter diesem Akt der Verzweiflung? Für einen Moment schon habe ich selbst geglaubt, dass hier ein tiefgründiger Actionfilm mit Anspruch herauskommen könnte. Dieses Gerüst wird natürlich nur genutzt für den 100sten dummen und glattgeleckten Hollywoodactioner, wie er im Jahr ohnehin schon viel zu oft erscheint.
Dabei hat man auf den Regiestühlen mit Henry Joost und Ariel Schulmann eigentlich zwei äußerst kompetente Leute, die mit ihrem vorherigen Film Nerve für eine faustdicke Überraschung sorgten. Hier verstanden sie es Stil und Substanz miteinander zu vereinen und, der Zielgruppe wohlgemerkt, ihre Kritik über die Reize von Social Media Plattformen zu formulieren. Zumindest im Stil bleiben sie ihrem Muster treu. Project Power hatte ein ansprechendes Budget weswegen sich die Inszenierung hier in hochwertigen Bildern ausdrückt mit einer Menge schnellen Schnitten und vertrackten Kamerabewegungen. Wie ein tollwütiger Hund rast der Film von Plotpoint zu Plotpoint mit Spielereien die sich in den besten Momenten auch recht frisch anfühlen.
Problem hier bleibt jedoch das dermaßen uninspirierte Drehbuch, dass tonal völlig inkonsequent zwischen Drama, Actionfilm und Komödie hin und her springt. Statt einem dynamischen Fokus auf einen routinierten Actionfilm, der sich in wahnwitzige Gefechte der Polizei gegen die Konsumenten stürzt, bekommen wir hier leider wieder alles was ein durchschnittlicher Kinobesucher braucht. Eine Geschichte über einen Mann der seine Tochter sucht. Dieses Vorhaben verpufft jedoch wirkungslos weil der emotionale Ballast zu keiner Zeit greifbar wird, da der Punch natürlich auch immer nur dann eintritt, wenn die Narration eben auch jenen Punch braucht. Nach einem Kampf, als ausbremsende Rückblende und Foreshadowing in verschwommenen Bildern. Wow, so etwas gab es wirklich lange nicht!
Schizophren wird es dann, wenn Project Power seine Action aus der Droge ziehen will, aber jede längere Verwandlungssequenz in echten Bodyhorror ausarten lässt. Da dürfen Menschen auch mal qualvoll in einem verglasten Raum stehen, von innen erfrieren und in Panik schreien, nur damit sich außerhalb des Raumes eine Actionszene abspielt, die nur aus den leicht zugefrorenen Scheiben wahrnehmbar ist. Zugegeben, diese Szene macht Spaß in ihrer Art und Weise der Inszenierung, doch solche Verwandlungen gibt es im Film zuhauf, was der Geschichte jedoch nie tragisch ins Gewicht fällt. Stattdessen blitzt an jeder Stelle das enorme Potenzial dieser Prämisse auf. Hieraus hatte man gut und gerne auch einen fiesen Horrorthriller machen können..
Doch was bekommt der Zuschauer letztendlich? Einen abgestandenen Actionfilm, der sich zwar in guten Tempo auf seine innere Eskalation hinarbeitet, aber abgesehen von Klischees und trivialen Dialogen nicht viel bietet. In den Actionszenen wird ohne jegliche Kontinuität mit 5 Cuts in 3 Sekunden geschnitten, total deplatziert wird dann ein Witz eingestreut, obwohl sich das Ganze überraschend ernst nimmt und ganz am Ende gibt es ein enttäuschendes Krawallfinale auf einem Schiff. Netflix überzeugt wieder nicht mit seinem filmischen Output. Stattdessen gibt es einen erneuten Beweis für die am Anfang aufgestellte These: „Es gibt keine finale Abnahmekontrolle“. Oder es ist tatsächlich so schlimm, dass die Qualität der Filme von keinem Interesse ist. Jedem, der nicht besonderes sucht und sich berieseln lassen will, wird Project Power gefallen. Doch das enttäuschend genutzte Potenzial wird sich auch bei denen nicht ausblenden lassen.
Regie: Henry Joost, Ariel Schulman
Drehbuch: Mattson Tomlin
Darsteller: Jamie Foxx, Joseph Gordon-Levitt, Dominique Fishback
Score Composer: Joseph Trapanese
Cinematographer: Michael Simmonds
Altersfreigabe: 16
Lauflänge: 113 Minuten
Budget: 85 Millionen $
Box-Office: VoD
Die Bildrechte obliegen ©Netflix