Die Weiterentwicklung des Desktop-Filmes, der kommerziellen Erfolg garantiert. 2014 kickte Unknown User mit einem Minimal-Budget diese Prämisse ins Box-Office, doch scheiterte regelrecht an seinen eigenen Ambitionen, da er nicht verschleiern konnte, dass dieser Kniff, einen Spielfilm nur über einen Bildschirm laufen zu lassen, aus reinem Investitionskalkül entstand. Noch schlimmer war nur, dass er durch hippe Spotify Montagen, Facebook Kalauer und Skype Unterhaltungen sein angepeilte Zielgruppe mit Alltagsmotiven manipulieren wollte, um aus mauer Horrormätzchen eine möglichst große Schockwirkung zu erzielen. Searching indes macht diese Sache deutlich besser.
Für den normalen Filmegucker benötigt es jedoch eine Umgewöhnung, da Searching wirklich jede Storyentwicklung nur auf dem Screen eintreten lässt. Doch gelingt ihm in seinem Opening bereits ein emotionaler Einschlag. Regiedebütant Aneesh Chaganty lässt die gesamte Geschichte der Familie Kim nur unter Musik einwirken und schafft es so die Gefühle, die wichtig sind für den Verlauf, greifbar zu machen. Doch direkt davor sollte man sagen, dass Searching seinem Hype nicht gerecht wird. Pressestimmen redeten teils sogar von Spannung in hitchcockscher Dimension. Dafür ist er dann doch zu platt.
Als Thriller gelingt Chaganty eine gute Spannungskurve mit Twists, die in ihrer Qualität unterschiedlich sind. Manchmal erwischt es uns aus dem Nichts weil uns in Aufnahmen bestimmte Dinge nicht aufgefallen sind. Manchmal handelt es sich aber um altbackende und abgestandene Wendungen aus der Mottenkiste. Doch der Motor von Searching läuft geschmeidig über die gesamte Spielfilmlänge. Und als Zuschauer darf man mit dem großartigen John Cho mitfiebern und bangen, zumindest bis zu den letzten 15 Minuten. Denn während die ersten 80 Minuten spannende Unterhaltung sind mit rasanter Zuspitzung der Ereignisse und zwiespältigen Meinungen, versagt Searching leider im Schlussakkord ein richtiges Statement zu setzen.
Statt mit einem richtigen Knall zu enden, will man dann doch nicht mit einem schlechten Gewissen in den Abspann geleiten. Darüber kann auch die technische Perfektion nicht hinwegtäuschen. Wer seichte Spannung sucht und über Mängel in der Zielgeraden hinwegsehen kann bekommt mit Searching einen guten Zeitvertreib geboten, der sich zwar sehr in die Comfortzone des Zuschauers boxt, aber immerhin emotional bewegt. Jeder Versuch nervenzerfetzende Spannung zu finden wird direkt entkräftet. Aber für ein Debüt ist das beachtlich! Der Erfolg von Searching ist absolut verdient. Und das sollte als Appell für viele engagierte Jung-Regisseure dienen. Habt Mut eure Visionen umzusetzen!
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