Mike Flanagan konnte bereits oft sein Verständnis für spannenden Horror unter Beweis stellen. Mit Oculus lieferte er einen spannenden Grusler auf zwei Zeitebenen ab, mit Ouija: Origin of Evil einen wunderbar altmodischen Geisterbahn-Trip. Dem Netflix-Kunden wurde er bekannt mit seinem kreativen Slasher Hush und der Verfilmung des als unverfilmbar geltenden Buches Geralds Game. Dem VoD Anbieter scheint er nun vollends verfallen zu sein, denn Spuk in Hill House ist ebenfalls sein komplettes Werk!
10 Folgen bietet Spuk in Hill House mit einer Thematik, die dem Genrefreund bekannt vorkommt. Ein Spukhaus. Und es dauert nicht lange bis man die ersten Referenzen zu Filmen gibt, wenn eine lange Kamerafahrt durch einen Raum direkt auf eine gigantische Wendetreppe zufährt, die direkt aus Robert Wise´s Produktion „Bis das Blut gefriert“ stammen könnte. Doch viel interessanter ist es jedoch, die Serie mit anderen Serien zu vergleichen. Während American Horror Story mit jeder Staffel beweist, wie Horror nicht funktioniert und der titelgebenden Horror lediglich im Titel steht, zeigt Flanagan seinem Zuschauer ordentlich wo der Hammer hängt.
Als Kinder werden die Kinder der Crain Familie im restaurierten Haus von bösen Geistern terrorisiert und verlieren letztendlich sogar ihre Mutter. Jahre später haben sie mit der Vergangenheit noch immer nicht abschließen können, doch auch die Geister scheinen nicht verschwunden zu sein. Dabei spielt Spuk in Hill House weniger stringent auf diesen beiden Zeitebenen und bietet einen gelungenen Ausgleich zwischen Drama und Horror. Wichtig zu erwähnen ist, dass hier äußerst intensiv auf Charaktere und deren Schicksale eingegangen wird. Wer schnelllebigen Horror erwartet wird regelrecht enttäuscht werden.
Jedes der Geschwister bekommt seine Beweggründe mit der Vergangenheit abschließen zu wollen und selbst Charakterzüge nach Klischeevorlage (Drogenjunkie, Suizidgefährdete) können die Wucht der Szenen nicht dämpfen. Gerade Nell gehört die stärkste Episode, die nicht nur emotional mitnimmt, sondern auch eine der furchteinflößendsten Geistererscheinungen der jüngeren Horrorgeschichte innehat.
Und da wären wir beim Kern der Serie. Horror. Und da muss man einfach klipp und klar sagen: Spuk in Hill House ist scheiße gruselig. Flanagan versteht es mit Geräuschen und unscheinbaren Bewegungen im Hintergrund dermaßen zu verängstigen, dass schlaflose Nächte vorprogrammiert sind. Statt stur einen Schockeffekt nach dem Nächsten abzufeuern schlägt er immer dann zu, wenn wir es nicht erwarten oder gar das Gefühl bekommen, alles überstanden zu haben. Dabei werden bewusst ikonische Szenen genutzt, doch unter der Oberfläche findet man ganz eigene fiese Kreationen des Spannungsaufbaus.
Dabei reizen sich diese Momente oftmals minutenlang aus und haben einige echte Höhepunkte auf Lager. In einer späteren Folge gibt es einen erbarmungslosen One-Shot über mehrere Minuten, der den Puls hochjagt. Die bereits nach wenigen Minuten erwähnte Frau mit dem gebogenen Hals lässt kindliche Ängste wach werden und in einer ebenfalls späteren Episode gibt es einen der effektivsten (wenn auch etwas zwecjmäßig) Jump-Scares, den ich je über mich ergehen lassen musste.
Spuk in Hill House bietet knappe 9 Stunden absolute Hochspannung mit emotionalem Unterbau. Gerade im Bereicht des Horrors haben Serien noch viel zu lernen. Hiermit wird ein effektiver und gruseliger Weg geebnet und der hat es stellenweise richtig in sich. Wer sich nicht von einem emotionalen Familiendrama abneigen lässt, bekommt hier feinste Haunted House Unterhaltung mit fiesen Pointen.
Empfehlenswert für Halloween weil: Erinnert ihr euch wenn ihr als Kind dachtet, Gestalten in eurem Zimmer zu sehen und euch unter der Decke verkrochen habt? Dieses Gefühl der Unsicherheit auf 9 Stunden gedehnt und ihr wisst was euch erwartet. Da wird das Licht sicher eine Nacht eingeschaltet bleiben!