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Still

von Sean Theumer

Bevor Mike Flanagan mit „The Haunting of Hill House“ dafür sorgte, dass seine Arbeit in die Analen der Horrorgeschichte eingeht und mit Ouija: Origins of Evil einen sympathischen Retro-Horror ablieferte, erschien zuvor im Jahr 2016 ein Slasherhybrid. Verlockend am Film sorgt vor allem seine Prämisse, eine taube Protagonistin hier dem Schrecken auszuliefern. Zuspruch bekam Still daher von Kritikern und auch Netflix-Zuschauer waren entzückt.

Entzückend ist Still in der Tat. Zumindest in seiner ersten Stunde. Interessant bei den Arbeiten von Mike Flanagan ist es, dass sie umso besser werden, je komplexer sie inszeniert sind. Seine melancholische Terrorsymbiose Haunting of Hill House vermochte es zu Tränen rühren zu können, während sich perfide Spannungssequenzen entluden. Oculus war trotz verzwickter Narration auf zwei Zeitebenen ein wirkungsvoller Geisterfilm. Und Still ist überraschend reduziert.

Ein simples Szenario. Ein Haus im Wald. Eine taube Schriftstellerin. Ein Serienkiller in Maske. Dabei ist es vor allem eine Freude zu sehen, wie reduziert Flanagan seinen Film in eine Richtung verweist. Nach knapp 5 Minuten sind Hintergründe und Motivation der Figur geklärt, nach zehn Minuten wird der Killer integriert und es wird spannend. Verdammt spannend. Durch den Verzicht auf Hintergrundmusik und der Nutzung von ganz wenigen Jump-Scares drückt Still ordentlich auf den Puls.

Still

Seine Angst erzielt er aus der perspektivischen und akustischen Einnahme seiner Schriftstellerin. Immer wieder erlaubt er sich den Kniff, das Sound-Design auf die Welt der Protagonistin einzustimmen. Es gibt keinen größeren Schrecken als nicht zu wissen, ob man alleine in seinen eigenen vier Wänden ist oder nicht. Silhouetten drängen sich durch das Mondlicht auf die Garnituren des Wohnzimmers. Das macht Spaß, ist intensiv und vor allem kompetent inszeniert. Nun stelle man sich vor, was für eine Perle Still geworden wäre, wenn er das auf seine knackige 80 Minuten durchgezogen hätte.

Stattdessen demontiert er sich in seinem Schlussakkord beinahe komplett. Es beginnt mit einer Szene die im Gesamtbild ein herrliches Schlussbild geworden wäre. Und was passiert? Flanagan lässt seine zerbrechliche Hauptperson zu einem Übermenschen mutieren, lässt Freund und Feind dermaßen dumm agieren und wälzt sich in übertriebenen Gewaltakten. Die stehen so nicht nur zum Kontrast der bisherigen Laufzeit, sondern lassen Still nur noch unnötiger ins Unglaubwürdige abdriften. Und das stößt schon fast säuerlich auf.

Manchmal ist weniger mehr und hier will man eindeutig viel zu viel. Aus einem sauber inszenierten, simpel gestrickten und effektiven Home-Invasion-Slasher wird übertrieben unglaubwürdiges Gewaltkino. Da helfen auch hübsche Digitaloptik und akzentuierter Schnitt nicht mehr viel weiter. So eine rapide Abfallkurve hat man im Horrorgenre in den letzten Jahren leider selten gesehen. Für die erste Stunde lohnt sich ein Blick dennoch. Da ballert Still wirklich ohne Rücksicht auf Verluste.

Die Bildrechte obliegen ©Netflix

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