Kein großes Franchise, keine übertriebenen Effekte, kein Star-Vehikel. Einfach ein schnörkelloser, handwerklich starker und verdammt spannender Film, der genau weiß, was er ist? Stumme Zeugin ist einer dieser unterschätzten 90er Thriller, den ich nie wirklich wahrgenommen habe und durch Zufall in meinem Shudder-Abo entdeckt habe.
Die Handlung ist im Grunde simpel. Eine junge, gehörlose Frau wird Zeugin eines Mordes an einem Filmset, gerät ins Visier des Täters und muss ums Überleben kämpfen. Was in der Beschreibung fast wie ein Standard-Thriller klingt, entfaltet sich in der Umsetzung zu einem der effektivsten Nervenkitzler der 90er Jahre. Der Film macht nicht den Fehler, gleich mit lauten Effekten oder hektischer Musik auf sich aufmerksam zu machen. Stattdessen arbeitet er mit Stille – im wahrsten Sinne des Wortes. Das Schweigen der Protagonistin wird zum zentralen Stilmittel, zur Quelle der Anspannung. Jede Bewegung, jedes Geräusch bekommt Gewicht, weil man als Zuschauer ständig in ihrer Wahrnehmung gefangen ist.
Gerade die erste halbe Stunde ist pures Adrenalin. Ab dem Moment, in dem der Mord am Filmset in einem Snuff-Setting beginnt, die Bedrohung immer näher rückt und Billy merkt, dass sie nicht einfach weglaufen kann ist das umwerfend gefilmt und geschnittener Horrorthriller in Reinform. Die Kamera bleibt nah dran und spielt mit Licht und Schatten und spitzt die Lage immer weiter zu bis sich die Anspannung erst nach 40 Minuten etwas abkühlt. Das ist auch besser so, denn die brutale Intensität wäre auf 90 Minuten inszenatorisch kaum zu lösen gewesen.
Was danach folgt, ist ein Wechsel in ein etwas klassischeres Kammerspiel. In einem Apartment kommt es zu einem Katz und Maus Spiel in dem die Antagonisten greifbarer werden und Regisseur Anthony Waller beweisen kann, dass er auch dieses dynamische Treiben mit einem Fingerschnipsen inszenieren kann. Besonders erwähnenswert ist auch die Darstellung der stummen Hauptfigur. Sie ist keine reine Opferfigur, sondern treibende Kraft der Inszenierung.
Unterm Strich ist „Stumme Zeugin“ einer dieser Filme, die viel mehr Anerkennung verdient hätten. Kein überkandidelter Blockbuster, sondern ein ehrlicher, handgemachter Horrorthriller, der mit Atmosphäre und handfester Spannung überzeugt. In einer Zeit, in der viele 90er-Thriller auf Coolness oder übertriebene Wendungen setzten, punktet dieser Film mit purer, ungeschminkter Intensität. Wer den noch nicht gesehen hat, sollte das dringend nachholen! Eine Szene im Treppenhaus ist zum Zungeschnalzen!
Empfehlenswert für Halloween weil: Hier gibt es keine Geister, sondern eine greifbare, menschliche Bedrohung. Das macht Stumme Zeugin umso wirkungsvoller. In einer Nacht, in der man ohnehin empfänglich für Spannung und Gänsehaut ist, trifft dieser Film genau den Nerv. Die düsteren Schauplätze, das Spiel mit Schatten und Stille und die beklemmende Atmosphäre schaffen eine fast schon unheimliche Intimität, die perfekt in die Nacht des Schreckens passt.


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