Tales from the Hood ist einer dieser Filme, die man zufällig entdeckt und sich danach fragt, wie um alles in der Welt der so lange an einem vorbeigehen konnte. Eine Horror-Anthologie aus den 90ern, produziert von Spike Lee, die so ziemlich alles ist, was man sich von einem Genre-Mix aus Creepshow und sozialkritischem Kino wünschen kann.
Der Film besteht aus vier Episoden, die von einem mysteriösen Bestatter erzählt werden, der drei jungen Gangstern in seinem Leichenschauhaus eine Reihe von Geschichten präsentiert. Schon diese Rahmenhandlung hat was von einem surrealen Fiebertraum, irgendwo zwischen Tales from the Crypt und The Twilight Zone, aber mit eindeutig schwarzer Perspektive. Denn das, was Tales from the Hood so besonders macht, ist, dass er Horror nicht nur als Mittel zur Schockwirkung nutzt, sondern als Werkzeug, um Rassismus, Polizeigewalt, häusliche Gewalt und Ungerechtigkeit anzuklagen.
Die erste Geschichte handelt von Polizeigewalt und Korruption und wirkt heute, fast 30 Jahre später, erschreckend aktuell. Sie mixt Geisterhorror mit einer bitteren Realität, in der ein schwarzer Polizist zwischen moralischer Schuld und Vergeltung hin- und hergerissen ist. Die zweite Episode wechselt das Tempo komplett: Hier geht es um häusliche Gewalt und die Frage, ob sich der Horror wirklich in den Monstern in unseren Köpfen verbirgt oder in den Menschen selbst. Die dritte Story wiederum ist eine bitterböse Satire über einen Politiker mit rassistischen Parolen, der buchstäblich von den Geistern der Vergangenheit heimgesucht wird. Eine Szene, die man leider fast als prophetischen Kommentar auf die heutige politische Landschaft Amerikas lesen kann. Und dann kommt die vierte Episode, die tief ins Milieu von Gangs, Drogen und Gewalt eintaucht. Brutal, aber gleichzeitig tragisch, weil sie zeigt, wie Zorn und Perspektivlosigkeit immer wieder in denselben Kreislauf führen.
Was Tales from the Hood so beeindruckend macht, ist seine Balance. Regisseur Rusty Cundieff schafft es, zwischen bitterem Ernst und makaberem Humor zu pendeln, ohne dass es je lächerlich wirkt. Der Ton schwankt zwischen grimmigem Realismus und übernatürlichem Horror, aber die Botschaften treffen immer. Das Make-up, die Practical Effects, der 90s-Charme – all das trägt dazu bei, dass Tales from the Hood sowohl als Horrorfilm funktioniert als auch als scharfe, gesellschaftliche Abrechnung. Und das ohne moralinsauer zu werden oder zu dick aufgetragen zu wirken. Stattdessen serviert der Film seine Kritik mit der Energie eines 90er Hip-Hop-Videos und der Wucht einer Predigt.
In Deutschland kennt diesen Film leider kaum jemand – völlig zu Unrecht. Während man hierzulande über die x-te Conjuring-Fortsetzung spricht, verstaubt Tales from the Hood irgendwo im Schatten. Dabei ist er nicht nur ein Stück schwarzer Filmgeschichte, sondern auch einer der wuchtigsten Horrorfilme der 90er. Er nutzt das Genre nicht als Flucht, sondern als Spiegel. Und wer Horror liebt, der mehr will als nur Jumpscares, der sich traut, Gesellschaftskritik im Gruselkostüm zu erleben der sollte diesen Film unbedingt nachholen.
Empfehlenswert für Halloween weil: Die Mischung aus gruseliger Atmosphäre, überdrehten Effekten und moralischen Botschaften ihn perfekt für eine Nacht machen, in der man sich nicht nur erschrecken, sondern auch nachdenken will. Jede der vier Geschichten bietet ihren eigenen Tonfall: mal klassischer Geisterhorror, mal makabre Satire oder Sozialdrama mit übernatürlicher Wendung. Und das alles so herrlich 90er vom Soundtrack über die Bildsprache bis zum Tempo. Euch bleibt allerdings nur der Griff zur britischen DVD oder Bluray von BFI, da der Film nie in Deutschland erschienen ist.


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