Es ist kaum zu glauben, aber wir befinden uns tatsächlich im neunten Jahr der 31 Days of Fright. Ja, der Blog ist zweifellos eingerostet abseits des Oktobers. Das lässt sich leider nicht bestreiten. Aber wenn es eine Sache gibt, die die Inglourious Filmgeeks wieder aus ihren vermeidlichen Gräbern auferstehen lässt, dann ist es vielleicht eine Retrospektive, selten unser Black Friday, sondern viel mehr die 31 Days of Fright.
Nach seinem Debütfilm Cronos und seinem darauffolgenden englischsprachigem Debüt Mimic – Angriff der Killerinsekten widmete sich Guillermo del Toro im Jahre 2001 mit seiner dritten Regiearbeit einem historischen Setting, das er fünf Jahre später mit seinem Welthit Pans Labyrinth wiederaufgriff. Die Rede ist von The Devil’s Backbone. Dieses Mystery-Drama mit Horrorelementen handelt von einem Jungen während des spanischen Bürgerkrieges inmitten den 1930er Jahren. Zwei Männer setzen ihn in einem Waisenhaus ab, wissend, dass er dort niemals von seinen bereits verstorbenen Eltern abgeholt wird. Nichtsahnend von seinem familiären Schicksal, versucht sich nun der kleine Carlos im ländlichen Waisenhaus mit all den anderen Kindern eines vernichtenden Krieges zurechtzufinden. Dabei stößt er auf eine mysteriöse Gestalt zwischen den alten Gemäuern: Santi, ein vermisstes und bereits verstorbenes Waisenkind. Dieses warnt ihn: „Ihr werdet bald alle sterben.“
Del Toro ist bekannt für seine fantastische Interpretation vom Horrorgenre und von Gruselgestalten. Schon immer war er auf der Seite der Monster, der Ausgestoßenen und der Vergessenen. The Devil’s Backbone bildet dabei keine Ausnahme, womit es sich wieder mal um ein Gruselmärchen handelt. Schnelle Vergleiche werden außerdem zu del Toros Pans Labyrinth gezogen, die beide vom Schrecken des Krieges aus der Sicht von Kinderaugen erzählen, die Horror und Hoffnung jenseits des Leides ihrer eigenen Realität sehen. Doch The Devil’s Backbone geht in vielerlei Hinsicht andere Wege.
Während Pans dem Thema Eskapismus eine zentrale Rolle verleiht, gibt es davon bei The Devil’s keinerlei Spur. Vielmehr beschäftigt sich der Film mit klassischen Coming of Age-Elementen. Carlos lernt hinzusehen, nicht mehr wegzuschauen. Er erlebt Konfrontationen mit der Vergangenheit anderer und mit der eigenen Realität. Dabei nutzt del Toro den Grusel seiner Geistergeschichte so sparsam und subtil, dass seine pure Begeisterung fürs Filmemachen und Geschichtenerzählen unverkennbar ist. Wie so oft bei del Toros Filmen nutzt er auch hier gängige und vertraute Handlungsverläufe, um sie wiederum mit eigenen Interpretationen zu schmücken. Das hemmt wohlmöglich den Überraschungseffekt bei so manchen Plot Points, doch mildert keinesfalls den Unterhaltungswert.
Kinder in Horrorfilmen (auch wenn dies kein reiner Horrorfilm ist, sondern eher ein Gruselfilm) haben die Tendenz, das Gezeigte oft zu stören. Schuld daran haben jedoch selten Kinderdarsteller, sondern eher untalentierte Autoren, die den jungen Figuren peinliche Dialoge und weinerliche Szenen zuschreiben. Das ist hier nicht so. Del Toro inszeniert das Kindsein so authentisch und mitfühlend, wie es in einem Fantasy-Kriegsfilm nur sein kann. Das zeigt sich besonders im letzten Drittel des Filmes, das sowohl schauspielerisch begeistert wie auch erzählerisch eine konsequente Wucht ist. Dabei stellt sich heraus, dass sich del Toro mehr Originalität im „realistischen“ Storytelling traut als im „übernatürlichen“ – womit der Unterschied gemeint ist zwischen dem Bürgerkriegsplot und dem Geisterplot. Seinen Charme verliert der Film dennoch zu keiner Sekunde.
Empfehlenswert für Halloween, weil Guillermo del Toros Geistergeschichte im Setting des spanischen Bürgerkrieges ein gelungenes Mystery-Drama mit Horrorelementen ist, das sich in die leidenschaftliche Gothic-Filmographie des Regisseurs fantastisch einreiht.
Regie: Guillermo del Toro
Drehbuch: Guillermo del Toro, David Muñoz & Antonio Trashorras
Produktion: Agustín Almodóvar, Bertha Navarro
Darsteller: Fernando Tielve, Marisa Paredes, Eduardo Noriega, Federico Luppi
Altersfreigabe: ab 16
Laufzeit: 108 Minuten
Veröffentlichungsjahr: 2001
Budget: 4,6 Mio. USD
Box Office: 6,5 Mio. USD
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