Tschick

von Victor

Seit der Jugendroman „Tschick“ im Jahr 2010 erschien, entwickelte er sich im Laufe der Zeit zu einem echten Verkaufsschlager, wurde u. a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet und durch seine ungewöhnliche Mischung Coming of Age/Roadtrip zu einer Art modernen Klassiker in seiner Zielgruppe, so dass der Roman teilweise schon Einzug in so manchen Deutschunterricht gehalten hat. Der Erfolg (und zugegebenermaßen relativ unverdiente Hype) des Buches ist nicht zuletzt auch auf das tragische Schicksal des Autors und die damit verbundene Publicity zurückzuführen: Wolfgang Herrndorf nahm sich nach einer längeren Gehirntumor-Erkrankung das Leben, ein Andenken, das seinem Werk anhaften wird.

Sechs Jahre später erscheint nun also die Adaption, bei der ursprünglich David Wnendt („Kriegerin“, „Feuchtgebiete“) Regie führen sollte, bis er aber durch Fatih Akin ersetzt wurde. Da sich dessen Werk nun ebenfalls mit den Außenseiterschicksalen beschäftigt, ließ dies auf einen andersartigen, liebevollen und rebellischen Jugendfilm im Stile eines „Easy Rider“ hoffen, wenn Maik (Tristan Göbel), von Klassenkameraden nur „Psycho“ genannt, sich mit dem russischen Aussiedler Tschick (Anand Batbileg) im geklauten Lada auf einen anarchischen Trip Richtung Walachei macht. Aber leider hat „Tschick“ keines der genannten Attribute vorzuweisen.

Von der in der Vorlage einigermaßen gekonnten Verknüpfung der heißen, sommerlichen Schwermütigkeit – vielleicht ist Melancholie das bessere Wort – mit sämtlichen pubertären Grenzerfahrungen, Rebellion, Sexualität, Nonkonformität, Freundschaft, merkt man hier nichts. Akin nimmt sich keine Zeit, innezuhalten. In einer Szene etwa übernachten die beiden Protagonisten unter einem Windrad in der ostdeutschen Wildnis – statt auf einen poetischen Moment zwischen Mensch und Natur hinzuarbeiten, die Magie des Coming of Age, ergehen sich die beiden in endlosen Nonsensgesprächen ohne Pointe, die humorvoll-hintergründig hätten sein können, wären da nicht die Jungdarsteller, allen voran Göbel, dessen Leistung Fremdscham provoziert, Voice Over wie abgelesen inklusive.

Auch die interessanteste Figur des Romans, die verwahrloste Rumtreiberin Isa, deren Wesen und Verhalten zu einem differenzierterem Verständnis des Weiblichen und der Sexualität bei Maik führt, taucht nur am Rande, wie ein Streiflicht, auf und verschwindet schon nach einigen Minuten wieder. Ertrunken im reißenden Fluss einer durch den „Fack ju Göthe“-Wahn gehetzten Inszenierung, die es (trotz inflationärer Verwendung von Drohnen-Shots) nicht schafft, die Landschaft zum Charakter zu erheben und die Trommelfelle mit unsäglicher Trash-Pop-Untermalung belastet. Da kann manch gelungenes Witzchen auch nichts ändern.

Hätte man den Stoff einem wie Hans Weingartner überlassen, wer weiß. Dann hätte ja was daraus werden können.

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Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©STUDIOCANAL

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