„In der Hütte soll es spuuuken? Da bin ich aber gespannt!“
Mit diesem filmhistorisch unverzichtbaren Zitat aus dem zeitlosen Meisterwerk Spookies – Die Killermonster eröffne ich den Vorhang für den ultimativen Tag des Schreckens. Denn heute, nach 30 buntgemischten Tagen und zahlreichen Empfehlungen für eine gesättigte Dosis Spuk, ist endlich Halloween – der schönste Tag des Jahres! Dieses Jahr war voll und ganz den Kennern des Horrorgenres gewidmet. Denn wir haben tiefer als sonst in die Tasche gegriffen und viele verschollene Klassiker und Geheimtipps präsentiert, die in jedem anderen Jahr in fast vergessener Form durch den Gruselmonat geistern. Selbstverständlich ist nicht jeder Titel aus diesem Jahr ein „fast vergessener“. Auch einige junge Genrebeiträge haben ihren Weg in die Frights gefunden, von denen wir Der Exorzist: Bekenntnis ganz schnell vergessen lassen wollen. Um diesem entgegenzuwirken ist der krönende Abschluss der 31 Days of Fright ein gänzlich anderer teuflischer Horrorklassiker, der in jeglicher Form überrascht. Wir präsentieren unseren Halloweenfilm 2023: Häxan von Benjamin Christensen.
Der dänische Stummfilm ist mittlerweile sage und schreibende 101 Jahre alt! Er erschien im Jahr 1922 und wird sowohl als Horrorfilm, sowie als Dokumentarfilm gezählt. Sein Thema: Hexen und Satanismus im Mittelalter. Nun, wer die berühmten Bilder des Horrorklassikers kennt, ist mit den expressionistischen Visualisierungen vom Hexensabbat, Dämonen, sowie vom Satan persönlich vertraut. An dieser Stelle fragt man sich als erstes: Was möchte Regisseur und Drehbuchautor Christensen mit diesem Film wirklich erzählen?
Christensens Freude an der Gestaltung seiner mittelalterlichen und satanistischen Fantasien ist bis heute erkennbar. Im Übereifer ist er sogar für die schauspielerische Leistung des Teufels zuständig. Und das mit Bravour. Denn Produktionsdesign, Kostüme und Lichtgestaltung sind eine absolute Attraktion. Die Liebe zum Detail und die kreative Hochleistung in seiner Tricktechnik bieten selbst einhundert Jahre späte beste Unterhaltung. Die filmgeschichtlichen Fundamente für Visualisierungen jener Themen sind ganz klar in diesem Werk zu finden.
Dabei beschränkt sich Christensen keineswegs nur auf die Empörung und Verstörung konservativer, abergläubiger oder strengchristlicher Zuschauer – auch wenn er ein begnadeter Provokateur ist. Nein, Christensen ist an mehr interessiert. Sein semi-dokumentarischer Horrorfilm soll nicht nur aufklären. Er soll vor allem konfrontieren mit unserer Realität jenseits von Fabelwesen und Fantasiefiguren. Er erörtert ein misogynes System, das vergewaltige Frauen, sexuell unterdrückte Frauen, sowie die weibliche Libido verurteilt und (im wahrsten Sinne des Wortes) verteufelt. Schließlich wagt der Film sogar einen Blick in seine Gegenwart – in das Jahr 1922. Mit wütender und frustrierter Entrüstung beklagt Häxan die bis heute andauernde Frauenfeindlichkeit in der Gesellschaft. Zwar ist der Wissensstand zum Zeitpunkt seiner Erscheinung nicht vergleichbar mit jenem, den wir im Jahr 2023 haben. Doch ist es trotzdem wahnsinnig faszinierend, mit was für einer Reflexion der Film seine thematische Einordnung vollendet. Und wir, die Zuschauer von heute, stellen mit bedauern fest, wie viel Aberglaube, Schwurbelei und Frauenfeindlichkeit noch immer in jeder Gesellschaft beheimatet sind – einhundert Jahre nach Erscheinung dieses „Aufklärungsfilms“.
Empfehlenswert für Halloween, weil dieser semi-dokumentarische Horrorstummfilm noch heute in jeglicher Form fasziniert. Seine teuflischen Gothic-Bilderwelten sind ein Ultimatum für den Tag des Schreckens, die in ihrer ausklingenden Nachdenklichkeit sogar mit dem Horror unserer Gegenwart konfrontiert – obwohl zwischen Häxan und uns ein ganzes Jahrhundert liegt. Wir wünschen furchteinflößende Unterhaltung mit diesem cineastischen Klassiker und sehen uns nächstes Jahr zu unserem alles sprengenden 10 Jahre Jubiläum der 31 Days of Fright. Macht euch definitiv auf etwas Großes gefasst! Happy Halloween und vielen Dank fürs treue Lesen!