Seit gestern läuft David Gordon Greens Fortsetzung Halloween Kills in den deutschen Kinos. Grund genug, den jüngsten Franchise-Paten in die heiligen Reihen der Frights aufzunehmen.
Was gibt es noch alles zu erzählen über Michael Myers, Haddonfield, Laurie oder über das absolut Böse in unserer Welt? Ginge es nach Green, wäre die Antwort: Nichts. Es gäbe nichts weiteres zu erzählen außer jene Fabeln und Phrasen, wie es sie seit 1978 gibt. Das mag eine sehr ehrwürdige Geste sein oder eben eine, die von weitreichender Abstinenz jeglicher Kreativität spricht. Ehrwürdig deswegen, weil offengelegt wird, dass alles erzählbare bereits erzählt wurde. Und selbst wenn alles erzählt wurde, so sei es auch bereits aus allen Perspektiven aufgearbeitet worden – so weit, dass es bloß noch repetitiv werden könne. Doch so viel Ehrwürdigkeit steckt nicht in Greens neustem Film. Vielmehr fehlt jegliches Eingeständnis darüber, dass der Blickwinkel und sein Inhalt zu befestigt sind an das heilige Original von John Carpenter, von dem sich Green und sein Comedy-Kollege Danny McBride, sowie Co-Autor Scott Teems weder lösen können noch wollen.
Mit Rückblenden sollen neue Handlungsstränge und Sichtweisen auf die sagenumwobene Halloween-Nacht Ende der Siebzigerjahre eingebunden werden. Das ist eine nette, atmosphärische Ergänzung für die recht dünne und beinahe nicht-vorhandene Story des Sequels. Ja, um Story ging es nie so richtig in der Halloween-Reihe. Vielmehr war es die schleierhafte, voyeuristische Bildsprache, das ständige Gefühl der Bedrohung durch das hochkonzentrierte Spiel mit Schatten und Perspektiven, sowie die Macht- und Hilflosigkeit aller Figuren, die besonders in den ersten zwei Originalteilen erheblich zur Atmosphäre und zum künstlerischen Erfolg beigetragen haben. Doch was ist mittlerweile aus dem schwarzen Mann geworden (oder wie er seit diesem Jahr aus anzunehmender Angst vor Rassismus-Vorwürfen heißt: „Das absolut Böse“)?
Atmosphärische Passagen, die durchaus funktionieren, finden sich auch im neusten Halloween-Film wieder. Auffällig ist nebenbei auch der Mut zu drastischen und höchst expliziten Tötungsszenen, die sogar der deutschen Altersfreigabe zur Vergabe des 18er-Siegels verleitet haben. Amerikanischer Majorstudio-Horror traut sich anscheinend wieder brutaler zu sein (wie auch zuletzt Don’t Breathe 2 unter Beweis stellte). Doch mehr als eine Gewaltsteigerung und das Wiederbeleben altbekannter Figuren (teils sogar mit Original-Darsteller) kann Green nicht. Stattdessen stammelt der Film in sich wiederholenden Mordszenen, die so passiv, künstlich aufgewärmt und ständig nacherzählend wirken, dass Interesse und Spannung nach weniger als 30 Minuten verpuffen. Das ist ermüdend und macht traurig. Denn wenn es wirklich so wenig Neues zu erzählen gibt (was ich bezweifle, schaut man sich nur Rob Zombies unterschätzten Director’s Cut von Halloween II an), dann sollte man Michael doch endlich sterben lassen. Oder jemanden auf den Regiestuhl setzen, der sein Fanherz schmälern kann, um keinen endlos weiterzählten Carpenter-Halloween zu erzählen. Oder man nehme neue kreative Köpfe, die mehr Ahnung von Horror haben mit eben neuen Anreizen. Aber wenn das wirklich so weitergeht, erleben wir nächstes Jahr mit Halloween Ends das Selbe in unveränderter Form. Wir werden es sehen…
Empfehlenswert für Halloween, weil Michael Myers ebenso zum Fest des Schreckens gehört wie der Weihnachtsmann zum Fest der Liebe. Das ist klar. Wer sich mit der Brutalität und der lauwarmen Nostalgie des Filmes zufriedenstellt, soll gerne zugreifen. Mehr Gründe gibt es jedoch nicht, um diese sklavische Fanfiction zu empfehlen.
Regie: David Gordon Green
Drehbuch: Scott Teems, Danny McBride, David Gordon Green
Produktion: Malek Akkad, James Blum, Bill Block
Darsteller: Jamie Lee Curtis, Judy Greer, Will Patton
Altersfreigabe: ab 18
Laufzeit: 105 Minuten
Verlöffentlichungsjahr: 2021
Budget: 20 Mio. USD
Box Office: 60,1 Mio. USD (Stand: 21.10.2021)
Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Universal Pictures.
1 comment
[…] seiner Gewaltszenen – und das funktioniert mit spürbarem Effekt (anders als David Gordon Greens Halloween Kills). Dazu werden komplexe Kamerafahrten und Shots etabliert, die eine IMAX-Auswertung verdient […]