Noch zum Ende seiner ersten Phase brachte der Film noir einen bedeutenden Vertreter seiner Gattung heraus. Otto Preminger, späterer Regisseur von Klassikern wie Fluss ohne Wiederkehr oder Anatomie eines Mordes, präsentierte 1944 einen stilsicheren Thriller, der seine Fußstapfen im Gerne hinterließ: Laura.
Detective Lt. Mark McPherson wird dazu beauftragt, sich einen zwei Tage alten Mord genauer anzusehen: Laura, eine einst bildhübsche, junge Frau, wurde an ihrer Eingangstür mit einer Schrotflinte ins Gesicht geschossen. Während sich in ihrem ehemaligen Umfeld genug Verdächtige befinden (u.a. ihr mittelschichtiger Verlobter, ihre eifersüchtige Tante, ihr nahstehender Freund), verspürt McPherson selbst eine gewisse Nähe zum Opfer und verliebt sich in sie.
Aus heutiger Sicht ist es immer wieder schade einen solchen Plot unter den Fittichen des Hays Codes zu sehen. Überaus provokant sind die Andeutungen des Drehbuches, auch wenn ihr Umgang letztlich doch zu luftig-leicht erscheint. Trotz alledem gibt es eine entscheidende Sache, die nicht so einfach zensiert wurde: die Verächtlichkeit jedes einzelnen Charakters. Und somit bietet Laura bereits die ideale Grundvoraussetzung für einen waschechten Film noir, trotz eines scheinbar übersichtlichen Mordfalls eines Standard-Krimis.
Zum Glück stützt sich Preminger nicht nur auf den hochkonstruierten Fall ab, der mit seiner frühzeitigen Wendung wohlmöglich eindrücke bei Hitchcocks Vertigo hinterlassen hat. Stattdessen bekommen wir hier messerscharfe Dialoge serviert, die nicht nur spannend aufgebaut sind, sondern von Grund auf lockerer und humaner erscheinen, als es eigentlich zeitgemäß wäre. Schuld daran sind ebenfalls die Figuren, allen voran der ehemalige Verlobte Lauras, die allesamt mit viel Liebe zum Detail gezeichnet worden sind. Unerreichbar zwischen all den Charakteren bleibt aber der ehemalige Verlobte Lauras. Doch das mag wohl vor allem an seinen charismatischen Darsteller liegen: Mr. Vincent Price persönlich, damals noch junge 32 Jahre alt am Set. Schon am Anfang seiner Karriere konnte er einen Film für sich einnehmen, wie er es auch letztlich hier als Nebendarsteller geschafft hat.
Neben all den unwiderlegbaren Stärken des Filmes ist es trotzdem schade, dass ein gewisser Thrill der Inszenierung sichtlich fehlt. Ebenso gut hätte es auch Theaterstück werden können, das sich gleichermaßen auf Plot, Figuren und Dialogen stützt. Doch an dieser Stelle schwächelt der Film noir leider, dessen Rubrik sonst für seine einzigartige Atmosphäre steht. Das ist überaus schade, denn es wäre das notwendige, letzte i-Tüpfelchen gewesen, das ihn letztlich zu den besten Film noirs hätte zählen lassen können. Somit wirkt er im Nachhinein eher wie ein düsterer Krimi, statt wie ein waschechter Film der schwarzen Serie.
Wer sich für alte Filme begeistern kann, dem sei Laura wärmstens an Herz gelegt – nicht zuletzt wegen der einnehmenden Performance von Vincent Price. Tut man sich jedoch manchmal schwer mit Klassikern der goldenen Ära Hollywoods, könnte dieser Film noir nicht besonders nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Aber sind wir ehrlich: Muss das denn jeder Film?
Black Friday: Jeden Freitag ein klassischer Film noir aus der schwarzen Serie.
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