2015 sorgte das österreichische Regieduo Franz & Fiala mit Ich seh Ich seh für ein beunruhigendes Regiedebüt, indem es darum ging, dass zwei Brüder das Gefühl haben, dass ihre Mutter nicht mehr ihre Mutter ist. Grund dafür war eine Operation im Gesicht und das dadurch resultierende vermummte Gesicht. Eher psychologisch angesiedelt entfaltete sich dadurch eine beklemmende Schauermär die im Schlussakkord durch einen zu vorhersehbaren Twist jedoch etwas schwächer war, als versprochen. Es reichte damals bei den Frights 2015 jedoch für den Film des Monats und wird nach wie vor wärmstens von uns empfohlen.
Mit The Lodge durfte knapp vier Jahre später das neuste Werk in den deutschen Kinos starten, wobei sich gerade in den Kritiken deutliche schärfere Worte fanden. Es tauchten wilde Vergleiche zu Hereditary auf, sowie ein starkes Missfallen des Endes. Nachvollziehen kann man das nur bedingt, denn The Lodge wirkt als Gesamtwerk sogar noch stärker als Ich seh Ich seh.
Hier reichen die ersten zehn Minuten um die Stimmung perfekt zu beschreiben. Ein Jump-Scare wird genutzt um ein beschauliches Familien-Idyll zu zerschmettern und die Inszenierung in den tiefsten Pessimismus zu stürzen. Nach dem Verlust der leiblichen Mutter, will der Vater von Aiden und Mia ein Wochenende auf der ländlichen Lodge mit seiner neuen Freundin verbringen und den Kindern damit die Möglichkeit geben, sie als neue Mutter zu akzeptieren. Doch noch immer sind die Kinder traumatisierte vom Suizid der Mutter. Als der Vater spontan das Haus verlassen muss, beginnen sich merkwürdige Ereignisse zu häufen.
Im Film Lucky Number Slevin spricht man von einem Kansas City Shuffle, der daraus besteht links lang zu sehen, während die gesamte Welt nach rechts sieht. Dieser Film nutzt die verschiedensten Symbole und Vorlagen aus Mystery Filmen um den Zuschauer gekonnt zu verwirren und aus dem Nichts zuzuschlagen. Dabei benötigt The Lodge keine Jump-Scares, sondern lediglich seine beunruhigende Stimmung und falschen Fährten getarnt als Motive für einen übernatürlichen Spuk. Nicht falsch verstehen, vereinzelt gibt es Schockmomente, aber diese kann man an einer Hand abzählen und werden nie für den schnellen Schock genutzt.
Im Gegenteil, während Grace (grandios gespielt von Riley Keough) droht komplett zu zerfallen und den nächtlichen Geräuschen auf den Grund geht, baut sich der Film immer weiter auf. Und das macht er nahezu ohne Sonnenlicht. Der Spuk gipfelt dann in einem Twist der dem Zuschauer sehr arg von einem Film aus den frühen 2000er Jahren bekannt vorkommt, doch sind die Dinge wirklich so offensichtlich?
Auf die letzten 15 Minuten will ich nicht weiter eingehen um keine Überraschung vorweg zu nehmen. Nur so viel: Die Geschichte nimmt einen extrem bedrückenden und schockierenden Wandel und schafft Bilder die im Kopf bleiben. Daher sollte man sich ganz sicher sein in welchem Gemütszustand der Film gestartet wird. Die Formulierung der Kritiken als Hereditary Abklatscht entpuppt sich dabei als vollkommener Schwachsinn. The Lodge ist ein eigenständiges einprägsames Werk, welches zu Unrecht bei großen Filmpreisen übersehen wurde. Zumindest im Schauspieler- und Kameragewerk.
Empfehlenswert für Halloween weil: jeder sich mal wieder so richtig schlecht fühlen will, an The Lodge nicht vorbeikommt. Der stilsichere und schockierende Horrorfilm der Ich seh Ich seh Macher sorgt für krasse Bilder und zwingt sein kleines Darstellergespann zu Höchstleistungen. Die Bilder aus dem finsteren Finale gehen zudem nie wieder aus dem Kopf. Eine echte Granate von einem Film!
Regie: Veronika Franz, Severin Fiala
Drehbuch: Sergio Casci, Veronika Franz, Severin Fiala
Darsteller: Riley Keough, Jaeden Martell, Lia McHugh, Richard Armitage, Alicia Silverstone
Score Composer: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
Cinematographer: Thimios Bakatakis
Altersfreigabe: 16
Lauflänge: 108 Minuten
Erscheinungsjahr: 2019
Budget: 6.000.000$
Box-Office: 3.200.000$
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