Clint Eastwood-Retrospektive #34
Meine sehr geehrten amerikanischen Brüder: Sollte sich irgendjemand mit dem Stolz seiner Nation so sehr verbunden fühlen, dass er/sie nach dem Kinobesuch von American Sniper in den nächsten 24/7 gelaufen ist und eine große Packung Taschentücher holen musste, da ihr emotional auf dem absoluten Tiefpunkt eures Lebens angekommen wart, solltet ihr einen großen Bogen um die folgende Hasstirade machen. Denn Clint Eastwood hat in seinem Œuvre mit Firefox sicherlich schon großen patriotischen Mist fabriziert, die Fremdscham, die sein Spätwerk jedoch auslösen wird, ließ sich damals leider nicht erahnen. Und nun Feuer frei für den Text über einen der verwerflichsten Filme, der je das Licht des digitalen Projektors erblicken durfte.
Handwerklich ist American Sniper schließlich hochwertig produziert, hat hochkarätige Darsteller im Gepäck und sieht absolut realistisch aus. Dass sich diese Finanzierung jedoch voll und ganz auf ein festgelegtes Kalkül aufbaut, soll auch nicht der Kritikpunkt dieses Machwerkes sein. Die Amerikaner verirren sich weder in die Buchläden, noch in die Lichtspielhäuser. Sage und schreibe 18 Wochen stand der Roman „American Sniper: The Autobiography of the Most Lethal Sniper in U.S. Military History“, seine Verfilmung spielte allein in Amerika nach einem Mammut-Startwochenende allein 350 Millionen Dollar ein. Nun wäre ein filmischer Diskurs über einen offensichtlich menschenfeindlichen Scharfschützen (kommt im Buch übrigens besonders gut zur Geltung) oder eine Aufzeigung wie sinnlos die Gewalt im Irak-Krieg war/ist ein interessanter Beitrag zum unverschämt propagandistischen Roman gewesen, doch was Clint Eastwood hier macht, lässt ihn keinesfalls in einem guten Licht darstehen.
Der feige Massenmörder Chris Kyle bekommt ein filmisches Denkmal spendiert, ein regelrecht heroisierendes Abfeiern von unzähligen Menschenrechtsverletzungen in einem Krieg, der ohne Amerika vielleicht nie stattgefunden hätte. Hier werden Mordszenen möglichst intensiv zum Oscar-Bait verpackt und die Spannung hochgepumpt, während Bradley Cooper ordentlich Druck auf den Eiern hat und einfach gezielt das Töten genießt. Passend zur emotionalen Manipulation schaltet Eastwood Szenen aus seiner Heimatstadt, die, wer hätte es gedacht, aus plumpen Familienpathos und unverschämter Heroisierung besteht. Quasi nichts anderes wie die „Action“-Szenen aus dem Irak. Die Parteien werden geschichtsblind in zwei Kategorien Mensch unterteilt, die befreienden Amerikaner und die bösen Terroristen, und American Sniper nimmt sich nicht einmal die Zeit, das Untermenschentum von Chris Kyle aufzuzeigen. Alles was im Roman über die Person, nein das „Phänomen“, zum Vorschein kommt, wird gekonnt ignoriert, denn immerhin war Chris ein echter Held.
Außerdem macht es doch sowieso viel mehr Spaß sich den Magen mit Popcorn vollzuschlagen und laut herumzugröhlen, wenn ein böser Terrorist erschossen wird, frenetisch jubeln wenn die Amerikaner den Zivilisten noch etwas Gutes tun und einen erfundenen Schlächter, der das Volk dort terrorisiert, umbringen und in Tränen ausbrechen, wenn ein kleiner Junge den American Umbringer in einer Werkstatt anspricht, was für ein großer Held er doch sei. American Sniper ist einer dieser Filme, bei dem man sich spontanten Brechdurchfall wünscht, um ihn über die DVD zu vergießen. Welches Menschenbild hier propagiert wird, sollte eigentlich vom UN-Menschenrechtsrat bestraft werden. Denn die tolle Kameraarbeit von Tom Stern, die intensiven Feuergefechte und die Darstellerleistung von Bradley Cooper verblassen konkurrenzlos gegen diese republikanischen Ansichten. Einen filmhistorischen Tiefpunkt erreicht American Sniper genau dann, wenn vor dem Abspann die Bilder der trauenden Amerikaner gezeigt werden, während der Sarg öffentlich durch die Straßen gefahren wird und sich tausende Amerikaner im Cowboys Stadium zur gemeinsamen Trauer treffen.
Laut eigenen Aussagen wollte Eastwood zeigen, was Krieg aus Menschen mache und dass American Sniper die wohl größte Antikriegsaussage aller Zeiten verfolge. Er war gegen den Irak-Krieg und wollte nicht die Rechtfertigung für den Einmarsch der amerikanischen Truppen rechtfertigen. Was Krieg aus Menschen macht hat und Die durch die Hölle gehen bereits sehr gut gezeigt, das einige Menschen zurück wollen, da sie in der Heimat nicht zur Ruhe kommen und andere eben den Suizid wählen um zur Ruhe zu kommen zeigt American Sniper auch. Doch suhlt er sich eben lieber in pro-amerikanischer Propaganda, spannenden Action- und Tötungsszenen und für die pure Glorifizierung eines psychisch instabilen Massenmörders. American Sniper als kritisches Meisterwerk zu betiteln ist in etwa so wie das Entsetzen für Tierfang- und Tierquälerei auf sozialen Netzwerken zu plädieren und danach direkt als Familienausflug ins Sea-Life zu fahren. Oder eben wie ein Rechtsgesinnter, der für Ausländerhass hetzt, während er danach einen großen Döner ohne Zwiebeln bestellt. Chapeu Clint, eine Ehre bleibt dir auf unserer Seite dennoch gebührt. Dein Film, American Sniper, bekommt als erster Film auf dem Block sagenhafte 0 Punkte. 6, Setzen.
Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©Warner Bros.