Apollo 18

von Victor

Jegliche Schelte, die dem Found-Footage-Genre seit Jahren schon entgegenschlägt, ist sicher berechtigt. Jedoch: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert“, und ein derart abgedroschenes Genre, an das seit „Blair Witch Project“ und „Paranormal Acitvity“ kaum mehr eine qualitative Erwartung gerichtet wird, ist natürlicherweise für die ein oder andere Überraschung gut. Der berüchtigte, 2014 erschienene „Unknown User“ war einer dieser Fälle, dem sogar – vor allem in der Sphäre jüngerer Horrorkonsumenten – ein mittelgroßer Hype vergönnt war. Ganz ähnlich erging es, drei Jahre zuvor, Apollo 18. Dunkel erinnere ich mich an das mediale Echo, das dem Film schon vor Erscheinen entgegenhallte, an die starke Antizipation, die ihm von Seiten der nicht gerade kleinen Internet-Mystery-Community entgegengebracht wurde. Vor gefühlt jedem Youtube-Video lief der Trailer. Und wie auch im Falle „Unknown User“ überwog letztlich die Enttäuschung, wurde die Masse des Publikums mit dem finalen Film, um den sich der virale Marketing-Mythos gesponnen hatte, konfrontiert.

Als ich Apollo 18 dann vor kurzem auf dem DVD-Wühltisch erblickte, kam mir seine doch faszinierend spekulative Prämisse wieder in den Sinn; warum also nicht prüfen, wie der Film ohne den Kontext des obligatorischen Marketing-Brimboriums funktioniert? Gerade Horrorfilme jüngeren Alters entfalten mit einigen Jahren Abstand, befreit von der ikonografischen Sensibilisierung der Werbung, eine andere Wirkung. Und siehe da: Unter anderen Umständen kann Enttäuschung zur (milden) Überraschung werden. Wäre eine solche Qualität Standard im Found-Footage-Genre; es wäre sicher nicht in einer solch misslichen Lage.

Am 20. Juli 1969 landeten Neil Armstrong und Buzz Aldrin als erste Menschen auf dem Erdtrabanten. Es sollten nicht die letzten gewesen sein: Auf die legendäre Apollo 11-Mission folgten sechs weitere bemannte Flüge zum Mond, bis im Jahre 1972 mit der Besatzung der Apollo 17-Mission die bisher letzten menschlichen Besucher dort landeten. Als zündende Inspiration für die Autoren fungierte sicher das Faktum, dass die USA eigentlich noch drei weitere Flüge geplant hatten (das Apollo-Programm sollte bei Nummer 20 enden), diese jedoch später gecancelt wurden. Was also, wenn doch noch eine weitere Mission stattgefunden hätte, ohne Live-Fernsehbilder und antisowjetische Machtdemonstrationen, als rein militärisches Projekt? Eben diese „Alternative History“-Annahme nutzt Apollo 18, um den klassischen Weltraumhorror vor uns durchzudeklinieren: Die unendlichen, schwarzen Weiten des Nachthimmels sind nicht so leblos und einsam, wie wir glauben…

Apollo 18 Review

Das fängt recht überzeugend an. Auf den Bildern der Überwachungskameras, die sämtliche Vorgänge der Mission dokumentieren sollen, wird der enge lebenserhaltende Raum der Mondlandefähre ausgelotet; unmerklich schließt uns der Film ein in den engen, isolierten Sarg aus Aluminium und Goldfolie, jenseits dessen es nichts gibt als den Kältetod in der grauen Trabantenwüste des Mondes. Gekonnt wird also eine klassische Strategie des Horrorfilms verfolgt: Einen Raum als einzig sichere Zuflucht etablieren, ihn als Erfüllung des archaischen Sicherheitsbedürfnisses aufbauen und dann langsam aber sicher unter Beschuss nehmen, das Böse, Jagende durch kleinste Ritzen ins Bild sickern zu lassen. Das ist, wie es solch grundlegenden Narrativen eigen ist, einfach aber effektiv; da übersieht man sogar, wie einfallslos die bedrohende Entität eigentlich gestaltet ist. Das im Found-Footage-Genre weit verbreitete Problem der Frage, weshalb selbst in Momenten größter Gefahr (oder überhaupt) gefilmt wird, umschifft Apollo 18 gekonnt und bietet sogar eine – zumindest einigermaßen – befriedigende Erklärung für die überraschend vielen Kameraperspektiven. All dies in Kombination mit dem äußerst wertigen Szenenbild des Films lässt einen sehr atmosphärischen und auf die großen Schachtelteufelattacken verzichtenden Horrorfilm entstehen, der auf die fundamental furchteinflößende Gleichgültigkeit des Weltalls dem winzigen Menschen gegenüber setzt.

Schade nur, dass Apollo 18 die Kurve dann doch nicht kratzt. Verschwörungstheorien üben eine ungemein starke Anziehungskraft aus – auch wenn man weiß, dass sie kompletter Unsinn sind. So ganz mag Apollo 18 diese Faszination aber nicht für sich nutzen; vielmehr wird die „Was-wäre-wenn“-Prämisse vergeudet und zum Ende hin in einfallslosen Body-Horror nach repetitiven Muster abgewickelt; die kunstvolle Bildverschiebung der ersten Filmhälfte weicht eskalativer Standarddramaturgie. Dennoch:

Empfehlenswert für Halloween, weil: „Apollo 18“ zeigt mit seiner eigenwilligen Genremisschung, dass für einen brauchbaren FF-Film nicht undbedingt ein Meisterwerk wie „Creep“ um die Ecke kommen muss. Freunde des Weltraumhorrors werden sicher auf ihre Kosten kommen.

Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©Senator

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