Standardsatz in einem Gespräch über Horrorfilme: „Na ja, mit Found Footage kann ich nichts anfangen.“ Der erntet dann entweder breite Zustimmung oder wird mit Verweis auf kleine Perlen wie „Creep“ oder – womit wir beim Thema wären – den großen Übervater „The Blair Witch Project“ verworfen; wie minimalistisch die Angst durch das Involviertsein entstehe. Adam Wingards „Blair Witch“ ist dagegen nur eine weitere Bestätigung der Wackelkamera-Skeptiker. Das zweite Sequel des schon erwähnten Box-Office-Phänomens erscheint nach langer Geheimhaltung. Die Werbekampagne erinnert an den diesjährigen „10 Cloverfield Lane“ und will zumindest annähernd den Marketingerfolg seines Vorgängers erzielen, der sich das junge Internet als Plattform für seinen Pseudo-Realismus zunutze machte. Die Erwartungen lagen hoch an, nicht nur in den betreffenden Fangemeinden.
Heathers Bruder James hat Grund zur Annahme, dass seine im ersten Teil verschwundene Schwester noch am Leben sein könnte, und macht sich mit drei Freunden zu einem Camping-/Erkundungstrip in die berüchtigten Wälder auf, um die sich zahlreiche düstere Legenden ranken. Glücklicherweise ist Filmstudentin Lisa dabei, die für ihre Abschlussarbeit mitfilmt. Was kann da schon schiefgehen? Durch die schwenkreiche Kameraführung erinnert „Blair Witch“, wüsste man es nicht besser, anfangs an einen zarten, mit weichem Licht bestrahlten Indie-Beziehungsfilm. Mit der Exposition macht man es sich sehr leicht. Das Voice-Over liefert einen Abriss der Ausgangslage und auch die Charaktere werden uns vorgesetzt.
Der Horror kommt mit dem Güterzug: Mit ähnlicher Lautstärke springen uns die Fake-Scares in die Fresse. Die sind sowieso ein Riesenproblem in den Horrorfilmen der Gegenwart, und treten in „Blair Witch“ auch noch mit einer solchen Frequenz und Häufung auf, dass man unwillkürlich und ermüdet die Augen verdrehen muss. Man stumpft ab. Das liegt an mangelnder Raffinesse. Zwar verbauen Wingard und Drehbuchautor Barret die richtigen neuen Elemente (Drohne, Überwachungskamera, GPS), nutzen sie aber wenig bis gar nicht – keine Mittel für Suspense, nur schöner Krempel, der den Film im Jahr 2016 verorten soll. Jeder Schreckmoment läuft gleich ab: Was ist da? Umsehen –Wartezeit –lautes Geräusch! – Wackeln oder Kameradefekt. Keine Spur von Wald-Koller, von erschütternder Gruppendynamik und menschlichen Urängsten.
Homöopathisch streut Wingard nette Details ein, kommt letztlich aber zu nichts anderem als einer Aufreihung von Geisterbahneffekten mit erzwungenem Body-Horror und verweilt kaum bei vielversprechenden Momenten. Das Ende hätte besser sein können, verhindert aber, dass „Blair Witch“ zum Totalausfall wird. Found-Footage-Hardcores oder Fans des ersten Teils könnten eine Erfüllung ihrer Wünsche verspüren. Allen anderen aber sei von „Blair Witch“ abgeraten.
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