Die Regiegröße Francis Ford Coppola verfilmte in den Neunzigerjahren mit Bram Stoker’s Dracula einen in der Filmindustrie seit Ewigkeiten beliebten Roman. Stars wie Gary Oldman, Anthony Hopkins und Winona Ryder sind nur die Spitze seines Schauspieler-Eisbergs, die die zum Teil romangetreue Verfilmung tragen. Doch Coppolas Dracula ist anders als alle bisherigen Adaptionen.
Der junge Anwalt Jonathan Hawker reist von London nach Transsilvanien, um mit dem Grafen Dracula einige Immobilienverkäufe abzuschließen. Bei seinem Hausgast entdeckt der Graf eine Fotografie von Jonathans Frau Mina, die unmittelbare Ähnlichkeit mit Draculas verstorbenen Frau hat. Wie besessen macht er sich auf dem Weg nach London, um eine alte Sehnsucht befriedigen zu können.
Überraschenderweise folgt Coppolas Dracula der Romanvorlage sehr genau, obwohl sich die Perspektive der Geschichte von der des Gothic-Romas komplett unterscheidet. Hier steht das gebrochene Herz eines zum Leben verdammten Mannes im Mittelpunkt, der die Chance erblickt nach vielen Jahrhunderten wieder etwas wie Liebe verspüren zu können. Somit ist Dracula nicht nur ein Horrorfilm, sondern vor allem ein Liebesdrama. Doch so schön und interessant dieser neue Ansatz auch klingen mag, umso mangelhafter fokussiert sich Coppola auf die Neuinterpretation und tobt sich stattdessen geradezu wahnsinnig an Spezialeffekten aus.
Es könnte schon beinahe enttäuschend sein, dass die Regieikone, der wir Der Pate zu verdanken haben, kein Gefühl fürs Geschichtenerzählen hier besitzt. Alle Charaktere, außer der Graf persönlich (fantastisch von Gary Oldman gespielt), sind erschreckend eindimensional und mechanisch in Szene gesetzt, so als wären sie lediglich Mittel zum Zweck für die große Show der Masken, Szenenbilder und Effekte. Denn diese sind die eigentlichen Stars neben dem namenhaften Schauspielensemble (u.a. Keanu Reeves, Richard E. Grant oder Tom Waits), das sich mit minderwertigen Figurenskizzen zufriedenstellen muss. Das macht den Film keineswegs zu einem Meisterwerk, doch ganz enttäuschend ist er sicherlich auch nicht.
Das gesamte visuelle Spiel mit Licht und Schatten, Szenenübergängen, Kamerafahrten, riesigen Studioschauplätzen, über den Boden gleitenden Vampiren und, nicht zu vergessen, den bahnbrechenden Monstermasken ist schlicht und ergreifend der Traum eines jeden Cineasten und Gothic-Fans zugleich. Hier wurden zweifellos großartige Bilder und Bewegungen erschaffen, die dem altertümlichen Stoff eine sehr moderne Dynamik geben, ohne modern-entfremdend zu wirken. Die gesamte Visualität ist große Kunst, die jedoch zwischen den Zeilen immer noch seelenlos und nichts-aussagend wirkt. Somit ist das Horror-Drama zwar wunderschön anzusehen, doch fehlt der ganzen Energie ein schlüssiger Zusammenhang und rückziehende Momente der Ruhe, um für eine größere Emotionalität ausholen zu können.
Francis Ford Coppola hat seine Hochphase schon lange hinter sich. Dass er ein kreativer Filmemacher ist, belegt sich dennoch an vielen seiner Filme, unter anderem an Bram Stoker’s Dracula. Hätte er sich bei der neuinterpretierten Liebesgeschichte auch mehr auf Emotionen konzentriert, statt auf Attraktionen, würde seine Gothic-Adaption weitaus mehr begeistern. Stattdessen muss man sich mit den vielen Spielerein zufriedenstellen, die trotz aller Mängel einen begnadeten Eindruck hinterlassen.
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