15 Jahre nach seinem Kinostart ist er zu einem überraschenden Kultfilm herangewachsen, der sein damals junges Publikum mit Sicherheit verstörte, doch es heute umso begeistert. Wir präsentieren: Coraline von Henry Selick.
Selick ist bekannt für seine schaurig-verspielten Stop Motion Filme. Sein Debütfilm The Nightmare Before Christmas wird bis heute noch als knallbunter Feiertagshybrid gefeiert. Sein darauffolgender Film James und der Riesenpfirsich ging verhältnismäßig unter, doch sind auch dort bereits erste Ähnlichkeiten zu seiner späteren Romanverfilmung Coraline zu finden. Allgemein wurde es auch nach dem Release seines Kultfilmes für eine ganze Zeit lang ruhig. Erst 2022 meldete sich Selick in Kollaboration mit Jordan Peele zurück und veröffentlichte sein Comeback Wendell & Wild. Ein neuer Hype konnte jedoch damit nicht ausgelöst werden. Liegt es lediglich an der Nostalgie, die Filmfans mit seinem Fantasy-Gruselmärchen aus 2009 verbinden oder steckt mehr dahinter?
Auch aus heutiger Sicht und mit zeitlichem Abstand sticht ganz besonders die beeindruckende Bilderkraft von Coraline heraus, deren atmosphärisches Farb- und Setdesign eine wahnsinnig einnehmende Wirkung besitzen. Umso ergänzender ist Bruno Coulais Score, dessen Lullaby-Passagen einen traumwandelnden, kindlichen Charakter besitzen. Doch das ist nicht das Einzige, was eine gewisse Zeitlosigkeit transportiert. Noch viel bemerkenswerter ist sein Inhalt, der 15 Jahre später einen noch direkteren Bezug zu unserem gegenwärtigen Zeitgeist schafft.
Die Hauptfigur Coraline ist fasziniert von einer Parallelwelt, in der alles besser, glücklicher und bunter scheint. Doch sie muss bald feststellen, dass diese Welt an eine unangenehme Bedingung geknüpft ist: Coraline muss ich Knöpfe in Augen nähen lassen. Oder mit anderen Worten: Sie muss sich der Parallelwelt vollständig anpassen, um in ihr leben zu dürfen. Das mag für das junge Publikum äußerst verstörend klingen, doch ist das gesetzte Ultimatum eine spannende Allegorie zu unserem heutigen Social Media. Wollen wir uns wirklich entstellen lassen von realitätsverzerrenden, schönheitskorrigierenden Filtern, die uns eine klare Sicht auf uns selbst, unser soziales Umfeld oder gar das Weltgeschehen nehmen? Wie viel Glück steckt wirklich hinter einem Post, der ein perfektes Leben (oder im Bezug auf Coraline eine perfekte Familie) darstellen will? Vor 15 Jahren schaffte es Henry Selicks Stop Motion-Film sich in die Köpfe seiner jungen Zuschauer brennen mit seinem magischen Worldbuilding und seinen dezenten Schockwirkungen. Heute darf sich sein mittlerweile erwachsengewordenes Publikum mit einer neuen Haltung nähern. Einer neues Gegenwart. Und gerade das macht diesen Film so universell und vielfältig in seinen Betrachtungsmöglichkeiten.
Empfehlenswert für Halloween, weil der beeindruckend-atmosphärische Stop-Motion-Grusel eine wunderbare Erzählung über kindliche Träume, Wünsche und Ängste ist, die mit ihren farbgewaltigen Bildern und ihrem fantastischen Soundtrack der ultimativ-herbstliche Halloweenfilm für sanfte Gemüter ist.
Drehbuch & Regie: Henry Selick (basierend auf den Roman von Neil Gaiman)
Produktion: Bill Mechanic, Claire Jennings, Henry Selick, Mary Sandell
Darsteller: Dakota Fanning, Teri Hatcher, Jennifer Saunders, Dawn French, Ian McShane
Bildgestaltender Kameramann: Pete Kozachik
Komponist: Bruno Coulais
Altersfreigabe: ab 6
Laufzeit: 100 Minuten
Veröffentlichungsjahr: 2009
Budget: 60 Mio. USD
Box Office: 185,7 Mio. USD
Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Universal Pictures.